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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden
Autoren: Wolfgang Schüler
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Einer meiner Mitreisenden sprach mich an. Er hatte lockiges, zurückgekämmtes Haar, trug eine Brille sowie einen Schnurr-und einen Kinnbart. »Gestatten Sie bitte, dass ich mich Ihnen vorstelle. Mein Name ist Doktor Sigmund Freud aus Wien. Ich erforsche Träume, und Sie sind eines meiner Studienobjekte. In Ihrem Fall ist die Deutung ganz einfach. Der ständig wiederkehrende Traum von der Fahrt mit einer Kutsche bedeutet …«
    Die Szene wechselte. Ich kannte das schon von früher. In meinen Träumen bekam ich nie eine vernünftige Antwort auf eine wichtige Frage. Nun lag ich im Morgengrauen auf einer Wiese. Vor mir glimmte die Asche eines Feuers. Eine Stimme sagte: »Watson!« Eine fremde Hand entwand mir den Revolver.Ich schlug die Augen auf. Ich träumte nicht länger, sondern war wieder in der Wirklichkeit angekommen. Vor mir hockte ein schemenhaftes Wesen. Es hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit Dr. Freud und kam mir doch bekannt vor.
    [ 1 ] Harry Houdini, eigentlich Erik Weisz, 1874 - 1926.
    [ 2 ] Ein Thou ist ein tausendstel Inch. Ein Inch sind 2,54 Zentimeter.
    [ 3 ] Klistierspritze, kleine Pumpe oder Gummiballon mit Schlauch und Ansatzstück.
    [ 4 ] Ein Pint sind 0,57 Liter.

7. Kapitel
Das Quartier im Wald
    »Ich werde sehen, was ich machen kann«, versprach Holmes.
    Franziska Franke,
Sherlock Holmes und der Club des Höllenfeuers

D IE B LUMENUHR
    Aus den Aufzeichnungen von Dr. Watson
    25.10.1913, Elbsandsteingebirge
    Watson!«, sagte die Stimme noch einmal, diesmal eindringlicher, intensiver.
    Nun erkannte ich endlich, wer da zu mir sprach. Auch meine Sehschärfe stellte sich allmählich wieder ein. »Holmes, mein bester Holmes, wie hast du mich in dieser Wildnis finden können?«, stammelte ich erleichtert, immer noch reichlich benommen.
    »Mein treuer Freund, es tut mir unendlich leid. Ich habe völlig versagt. Ich hätte nie gedacht, dass die Verbrecher derartig skrupellos sein könnten. Wie geht es dir? Bist du schwer verletzt?«
    Ich richtete mich auf und zog die Decke über meiner Schulter zusammen. Es fröstelte mich. »Mir ist kalt. Ich habe Hunger. Ich brauche einen starken Kaffee, ein heißes Wannenbad und saubere Kleider. Ich muss mich rasieren. Ich wurde lebensgefährlich vergiftet und mit einer glühenden Zigarette gefoltert. Aus freien Stücken habe ich mir von der linken Hand die Haut abgezogen. Mir tun sämtliche Knochen im Leibe weh. Ich habe Colonel Moran ermordet und einen schweren Unfall überlebt. Ich bin im dunklen Wald einemausgewachsenen Hirsch begegnet und habe vom Sigmund Freud geträumt. Wie soll es mir da schon gehen?«
    »Von nun an wird alles gut«, versprach mir Holmes. »Aber lass mich bitte zuerst deine Wunden untersuchen.«
    Wie sich herausstellte, hatte ich noch mehrere Riss-und Quetsch-und Schürfwunden erlitten, die bei mir in der allgemeinen Schmerzorgie unbemerkt geblieben waren. Doch bis auf die großflächigen Blessuren an der linken Hand war ich nicht ernsthaft verletzt worden.
    »Ich bin gleich zurück«, meinte mein Freund. Er untersuchte einige Birkenstämme am Waldesrand und kroch anschließend auf allen vieren auf der Lichtung umher. Dort grub er mit seinem Taschenmesser irgendwelche Pflanzen aus. Von einigen säuberte er die Wurzeln und schnitt sie ab. Als er zurückkehrte, erklärte er mir: »Hier sieh nur, der Birkenporling ist ein Pilz, der an Birken wächst. Er ist ungenießbar, besitzt aber entzündungshemmende Wirkstoffe. Ich werde ihn in dünne Streifen schneiden und als Bandage auf deine Wunde an der Hand auflegen. Das andere ist Beinwurz, eine Heilpflanze. Sie lindert deine Schmerzen, desinfiziert die Wunden und hilft bei all deinen Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen.«
    Glücklicherweise hatte ich den Blechkasten mit dem Verbandszeug mitgenommen. Holmes kippte ihn aus, goss etwas Wasser aus der Flasche hinein und tat die Wurzeln dazu. Er entfachte das Feuer, blies in die Flammen, bis sie hell loderten, und schob den Kasten hinein. Ich rückte näher heran und ließ mich wärmen.
    Das Wasser begann bald zu kochen. Nach einigen Minuten äußerte Holmes: »Eigentlich müsste ich den Sud jetzt abseihen, aber wir haben kein zweites Gefäß. Deshalb muss es auch so gehen.« Er goss noch etwas kaltes Wasser nach.
    Ich erhob mich, um mein einziges Kleidungsstück, das Nachthemd, auszuziehen. Es war blutverkrustet, dreckverschmiert und halb zerrissen. Nun stand ich in der freien Natur, wie Gott mich geschaffen hatte. Das war kein Problem. Es gab
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