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Sherlock Holmes in Dresden

Sherlock Holmes in Dresden

Titel: Sherlock Holmes in Dresden
Autoren: Wolfgang Schüler
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können Sie Ihren Gast empfangen, der sich noch zu solch später Stunde angesagt hat.«
    Ich zitterte, kalter Schweiß stand auf meiner Stirn, und ich fühlte mich hundeelend. Ich konnte mich nicht bewegen. Meine Zunge schwoll an. Ich fühlte, wie mein Pulsschlag immer langsamer wurde. In mir keimte ein schrecklicher Verdacht. Die Symptome ließen keinen Zweifel zu: Ich war vergiftet worden. Gleich würde ich sterben. Ich fühlte mich wie der Hauptdarsteller in einer Schmierenkomödie.
    Worauf tatsächlich Gevatter Tod an mein Bett trat und sich über mich beugte. Der Sensenmann war relativ jung. Er schien das vierzigste Lebensjahr noch nicht erreicht zu haben und stand in der vollen Blüte seiner Manneskraft. Von einem Totengerippe wie auf Albrecht Dürers berühmtem Kupferstich
Ritter, Tod und Teufel
war er weit entfernt. Er hatte dichtes,schwarzes Haar, freundliche, braune Augen und einen ausrasierten Vollbart. Seine Zähne waren weiß und ebenmäßig, seine Lippen rot und voll.
    Mein neuer Freund Hein wirkte friedfertig, ganz anders als ihn die späten römischen Dichter geschildert hatten, nämlich als ein zähnefletschendes Ungeheuer, welches mit seinen spitzen Fingernägeln seine Opfer zerfleischte. Nein, dieser sympathische Schnitter war eher der griechischen Mythologie entsprungen, ein Jüngling mit einer Fackel, der Sohn der Nacht, der Bruder des Schlafes.
    Schließlich begann der Tod zu sprechen: »Ich freue mich, dass wir uns endlich einmal persönlich begegnen, mein bester Dr. Watson. Ich habe schon sehr viel von Ihnen gehört und, seit Sie Berlin verlassen haben, auf Ihre Ankunft gewartet. Es ist mir eine Ehre, Sie endlich kennenlernen zu dürfen. Bitte bleiben Sie mein Gast, solange Sie wollen. Wir werden viele interessante Stunden miteinander verbringen, das verspreche ich Ihnen. Ach bitte, entschuldigen Sie vielmals. Vor lauter Aufregung habe ich völlig vergessen, mich Ihnen vorzustellen. Mein Name ist Dr. Alexander von Schleuben-Aumont. Ich werde in den nächsten Tagen Ihr fürsorglicher Gastgeber sein. Falls Sie also einen Wunsch haben sollten, zögern Sie nicht, ihn frank und frei zu äußern. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie zufriedenzustellen. Leider können Sie nicht länger hier oben auf dem Weißen Hirsch bleiben. Es wäre zu gefährlich. Dumme Polizisten neigen manchmal dazu, ihre Nasen in Dinge zu stecken, die sie nichts angehen. Aber wem sage ich das. Schließlich hatten Sie ja auch Ihr Kreuz zu tragen. Mir fällt dazu der Name Lestrade ein. Er war, glaube ich, Inspektor bei Scotland Yard. Ein guter Freund von uns beiden – Sie kennen ihn sehr gut, es ist Colonel Moran – wird Sie gleich an einen sicheren Ort bringen.Es handelt sich um die Burg Zingel. Sie liegt zwei, drei Stunden weit von hier entfernt. Es wird Ihnen dort bestimmt gefallen, weithin umgeben von dichten Wäldern. Das mittelalterliche Gemäuer ist ein wahres Kleinod. Die Burg steht hoch oben auf dem Hasenstein und hat als eine der wenigen Wehrbauten in dieser Gegend den Dreißigjährigen Krieg überdauert. Ich weiß aus den von Ihnen verfassten Büchern, bester Doktor, dass Sie sich für Geschichte interessieren. Dort in der Burg werden Sie Ihre wichtigsten Lektionen lernen und neue, aufregende Erfahrungen machen. Doch nun genug geplaudert. Ich habe noch zu tun. Spätestens morgen Abend sehen wir uns wieder. Grüßen Sie bis dahin Colonel Moran von mir und genießen Sie die Reise.«
    Ich lag stocksteif im Bett und konnte noch nicht einmal blinzeln. Welches Gift mochte mir verabreicht worden sein?
    Von Schleuben-Aumont beugte sich über mich und sah mir direkt in die Augen. »Aha, Sie versuchen zu analysieren, welche wunderbaren Heilstoffe in der bitteren Medizin enthalten waren, die Sie vorhin genießen durften. Sie kennen ja die berühmten Worte unseres Kollegen Paracelsus, der einstens sagte: ›
Dosis sola venenum facit
‹. [ 3 ] In Ihrem Fall habe ich ein Alkaloid namens Coniin verwendet. Es wird aus den Früchten des Gefleckten Schierlings durch die Destillation mit Soda abgeschieden. Daraus lässt sich ein bromwasserstoffsaures Salz herstellen, welches in der Medizin bei Asthma, Neuralgie, Keuchhusten, Trismus [ 4 ] und Tetanus verwendet wird. Aber wem sage ich das, dies alles wissen Sie vermutlich viel besser als ich. Coniin färbt sich an der Luft braun. Das erklärt die dunkle Färbung Ihres Schlaftrunks. Coniin wirkt hervorragend und viel radikaler als das mit ähnlichen Eigenschaften
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