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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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rief mein Klient, ›ich habe es ihn tragen sehen, das kann ich beschwören. Was hat der Schurke hier unten vorgehabt?‹
    Auf meinen Vorschlag wurden ein paar Leute von der Ortspolizei herbeigerufen, und dann versuchte ich, die Steinplatte mit Hilfe des Halstuchs in die Höhe zu ziehen. Ich konnte sie nur wenig von der Stelle bewegen, erst als einer der Polizisten mir seinen Beistand lieh, gelang es uns mit vereinten Kräften, sie fortzuschieben. Ein schwarzes Loch gähnte zu unsern Füßen, und als Musgrave mit der Laterne hinunterleuchtete, sahen wir eine etwa sieben Fuß tiefe Kammer, die ungefähr fünf Fuß im Geviert maß. Auf einer Seite stand ein flacher, eisenbeschlagener Holzkoffer, an dessen zurückgeschlagenem Deckel ein seltsam geformter altmodischer Schlüssel steckte. Eine dicke Staubschicht lag darauf, und von dem Gewürm und der Feuchtigkeit war das Holz so zerfressen und verfault, daß sich drinnen Schwämme und Pilze in Menge angesiedelt hatten. Verschiedene runde Metallstücke – vermutlich alte Münzen – wie ich hier einige habe, lagen auf dem Boden des Koffers verstreut; etwas anderes enthielt er nicht. In jenem Augenblick dachten wir jedoch nicht an den alten Koffer, wir starrten nur auf die Gestalt, die davor kauerte. Es war ein Mann in schwarzem Anzug, der die Arme nach beiden Seiten ausstreckend, mit dem Kopf auf dem Rande des Koffers lag. In dieser Stellung war ihm alles stockende Blut ins Gesicht getreten, und das verzerrte blaurote Antlitz war ganz unkenntlich; doch seine Größe, sein Haar und sein Anzug genügten, um meinem Klienten den Beweis zu liefern, daß es der verschwundene Hausmeister war. Wir zogen ihn herauf; er war schon seit mehreren Tagen eine Leiche, aber es fand sich keine Wunde oder sonstige Verletzung an seiner Person, die auf ein gewaltsames Ende schließen ließ. Als man den Leichnam zum Keller hinausgeschafft hatte, standen wir abermals einem schauerlichen Rätsel gegenüber.

    Ich muß gestehen, daß ich dies Ergebnis meiner Forschung als eine schwere Enttäuschung empfand. Nach meiner Berechnung sollte das Problem gelöst sein, sobald ich den Ort gefunden hatte, auf den der Katechismus hinwies; aber jetzt war ich anscheinend noch ebensoweit davon entfernt, zu ergründen, was wohl die alten Musgraves mit so außerordentlicher Vorsicht hier verbergen wollten. Zwar den unglücklichen Brunton hatte ich aufgefunden, doch galt es noch, sein Geschick zu enträtseln und zu ermitteln, welche Rolle das verschwundene Mädchen dabei gespielt hatte.
    Ich setzte mich auf ein Faß, das im Winkel stand, und überlegte die Sache aufs gründlichste. Du kennst meine Methoden, Watson. Ich suche mich an die Stelle des Menschen zu versetzen, um den es sich handelt, und einen Maßstab für seine geistigen Fähigkeiten zu gewinnen; dann frage ich mich, was ich selbst unter den obwaltenden Umständen getan haben würde. Daß ich auf Bruntons scharfen Verstand zählen konnte, erleichterte mir die Sache wesentlich; ich brauchte nun nur von meinem eigenen Standpunkt auszugehen. Er wußte, es war etwas Wertvolles verborgen; den Ort hatte er entdeckt, aber der Stein, der ihn verschloß, war zu schwer, als daß ein Mann ihn allein aufheben konnte. Was war nun zu tun? Sollte er sich Hilfe von außen verschaffen? – Selbst wenn diese noch so zuverlässig war, hätte er doch die Türen aufschließen müssen, und das würde leicht zu einer Entdeckung geführt haben. Weit besser war es, wenn ihm ein Bewohner des Hauses Beistand leistete. Aber wen konnte er darum angehen? – Das Mädchen war ihm treu ergeben gewesen. Nun vermag ein Mann sich aber nur schwer vorzustellen, daß er die Liebe eines Weibes unwiederbringlich verloren haben soll, und wenn er es noch so schlecht behandelt hat. Er beschloß, der Rahel Howells ein paar Aufmerksamkeiten zu erweisen, sich mit ihr zu versöhnen und sie zu bestimmen, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Sie gingen zur Nachtzeit miteinander in den Keller, und ihrer vereinten Anstrengung gelang es, die Steinplatte abzuheben. So weit konnte ich ihnen folgen, als hätte ich ihr Tun selbst mit angesehen.
    Für zwei Leute, einen Mann und ein Mädchen, mußte es eine schwere Arbeit gewesen sein, den Stein fortzuschaffen; wir hatten uns dabei sehr anstrengen müssen, ich und der starke Polizist. Womit konnten sie sich helfen? – Was ich an ihrer Stelle getan hätte, wußte ich wohl. Ich stand auf und untersuchte die Holzstücke, die auf dem Boden umherlagen.

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