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Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten

Titel: Sherlock Holmes - Sein letzter Fall und andere Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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mich daran erinnern, fällt mir ein, daß Brunton mich wirklich vor einigen Monaten um die Höhe jenes Baumes befragt hat; er hatte sich mit dem Stallknecht darüber gestritten.‹
    Dies war mir eine willkommene Nachricht, Watson, ein Beweis, daß ich den rechten Weg gefunden hatte. Ich blickte nach der Sonne, die schon tief am Himmel stand, und berechnete, daß sie in etwa einer Stunde gerade die höchsten Äste der alten Eiche treffen würde. Eine Bedingung im Katechismus war dann erfüllt. Mit dem Schatten der Ulme mußte das äußerste Ende des Schattens gemeint sein, sonst hätte man den Stamm zur Richtschnur genommen. Es galt demnach herauszufinden, bis wohin der Schatten fallen würde, sobald die Sonne die Eiche berührte.«
    »Das muß recht schwierig gewesen sein, Holmes; die Ulme war ja nicht mehr da.«
    »Hatte Brunton es zu Wege gebracht, so mußte es mir auch gelingen. In Wirklichkeit war es leichter, als es den Anschein hat. Ich ging mit Musgrave in sein Studierzimmer, schnitzte mir den Holzpflock, den du hier stehst, und knüpfte diesen langen Strick daran fest, bei dem ich jeden Meter durch einen Knoten bezeichnete. Dann band ich zwei Angelruten aneinander, deren Länge genau sechs Fuß betrug, und ging mit meinem Klienten wieder an die Stelle, wo die Ulme gestanden hatte. Die Sonne streifte eben die höchsten Wipfel der Eiche. Ich steckte die Angelrute aufrecht in den Boden, sah, wohin ihr Schatten fiel, und maß ihn ab. Er war gerade neun Fuß lang. Natürlich ließ sich die Rechnung jetzt leicht machen. Wenn eine Rute von sechs Fuß einen neun Fuß langen Schatten warf, so mußte ein 64 Fuß hoher Baum einen 96 Fuß langen Schatten werfen, und die Richtung beider konnte nur die gleiche sein. Ich maß die Strecke aus, kam dabei fast bis an die Mauer des Hauses und steckte meinen Holzpflock dort fest. Nun stelle dir mein Entzücken vor, Watson, als ich kaum zwei Zoll von meinem Pflock entfernt eine trichterförmige Vertiefung im Boden bemerkte. Es war das Zeichen, welches sich Brunton bei seinen Messungen gemacht hatte. Also war ich noch immer auf seiner Fährte.
    Von diesem Ausgangspunkt begann ich nun die Maße abzuschreiten, nachdem ich zuerst mit meinem Taschenkompaß die Himmelsrichtungen festgestellt hatte. Zehn Schritte mit jedem Fuß führten mich längs der Hausmauer hin, und ich bezeichnete den Punkt wieder durch einen Pflock. Nun tat ich genau je fünf Schritte nach Osten und je zwei nach Süden. Dadurch gelangte ich bis dicht an die Schwelle der alten Tür. Die zwei Schritte nach Westen mußte ich auf den Steinfliesen des Hausflurs machen, und damit hatte ich die im Katechismus bezeichnete Stelle erreicht.

    Hier stand ich; aber wie groß meine Enttäuschung war, läßt sich nicht beschreiben, Watson. Im ersten Augenblick war ich fest überzeugt, daß ich mich bei meiner Berechnung gründlich geirrt haben müsse. Die untergehende Sonne schien hell in den Hausflur hinein, und ich sah, daß das alte ausgetretene graue Steinpflaster fest zusammengekittet und sicherlich seit langen Jahren nicht aufgerissen worden war. Brunton hatte hier nicht nachgegraben. Ich klopfte auf den Boden, aber es klang überall gleich, auch zeigte sich nirgends ein Riß oder eine Spalte. Zum Glück hatte aber jetzt auch Musgrave angefangen, die Bedeutung meiner Forschungen einzusehen, und seine Erregung war ebenso groß wie die meinige. Er holte das Papier heraus, um noch einmal alles nachzurechnen.
    › Und darunter ‹, rief er, › und darunter – das haben Sie fortgelassen!‹
    Ich hatte gedacht, man sollte ein Loch graben, aber jetzt sah ich plötzlich meinen Irrtum ein.
    ›Es ist also ein Keller darunter?‹, rief ich.
    ›Freilich; er ist ebenso alt wie das Gebäude; durch die Tür dort geht’s hinab.‹
    Wir stiegen eine Wendeltreppe hinunter; mein Gefährte strich ein Zündholz an und machte Licht in einer großen Laterne, die auf einem Faß in der Ecke stand. Sofort war uns beiden klar, daß wir den richtigen Platz entdeckt hatten, den auch vor uns schon andere Leute kürzlich besucht haben mußten.
    Der Keller war als Holzstall benützt worden, aber die Scheiter, die offenbar zuvor zerstreut auf dem Boden umhergelegen hatten, waren jetzt an beiden Seiten aufgeschichtet, so daß der mittlere Raum frei blieb. Unser Blick fiel auf eine große schwere Steinplatte, mit einem verrosteten Eisenring in der Mitte, an welchem ein wollenes karriertes Halstuch festgebunden war.
    ›Das ist ja Bruntons Tuch‹,

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