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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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worden war, sich eine
    neue Heimat zu suchen. Durch die klare Luft kamen der Lärm der vorbeiziehenden
    Menschenmasse herüber, dazu das Quietschen der Räder und das Wiehern der Pferde, das
    Klappern und Rumpeln der Wagen. So laut es aber auch wurde, so genügte dieser Lärm doch nicht, die beiden müden Wanderer dort zu wecken.
    Vor der Kolonne ritten ein paar Dutzend ernster Männer her mit eisenharten Gesichtern. Sie trugen dunkle, handgewebte Kleidung und waren mit Gewehren bewaffnet. Am Fuß des
    steilen Felsens machten sie Halt und hielten Rat.
    »Meine Brüder, die Quellen müssen weiter zur Rechten sein«, sagte ein Grauhaariger mit schmalen, harten Lippen und glattrasiertem Gesicht.
    »Zur Rechten der Sierra Blanco - da kommen wir zum Rio Grande«, meinte ein anderer.
    »Sorgt euch nicht um Wasser«, rief ein dritter. »Er, der Wasser aus dem Felsen schlug, wird sein auserwähltes Volk nicht verlassen.«
    »Amen! Amen!« antwortete die ganze Schar.
    Gerade wollten sie die Reise fortsetzen, als einer der Jüngsten, der wohl die schärfsten Augen hatte, mit einem staunenden Ausruf auf die zerklüftete Felsplatte über ihnen wies. Dort oben flatterte ein kleines Stück rosa Stoff und hob sich hart und grell von den grauen Felswänden ab. Bei diesem Anblick zog man allgemein die Zügel der Pferde fester an und nahm das
    Gewehr vom Rücken. Andere Reiter kamen herzu, um die Schar der Vorhut zu verstärken.
    Das Wort »Rothäute« war auf jedermanns Lippen.
    »Sehr viele Indianer können sich dort nicht verstecken«, sagte der ältere Mann, der das Kommando zu haben schien. »Wir sind an den Pawnees vorbeigekommen. Einen anderen
    Stamm gibt es hier in den Bergen nicht.«
    »Soll ich einmal hinaufgehen und nachsehen, Bruder Stangerson?« fragte einer aus der
    Gruppe.
    »Ich auch - Ich auch«, riefen ein Dutzend Stimmen.
    »Laßt eure Pferde unten. Wir warten hier auf euch«, antwortete der ältere Mann. Im Nu waren die jungen Männer abgesessen, banden ihre Pferde an und kletterten den steilen Hang hinauf, um die Sache zu erforschen, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Schnell und geräuschlos kamen sie näher. Sie bewegten sich mit der Sicherheit und Umsicht erfahrener Pfadfinder. Die Zuschauer in der Ebene sahen, wie sie von Felsen zu Felsen flitzten, bis ihre Gestalten sich vom Himmel abhoben. Der junge Mann, der den ersten Alarm gegeben hatte, führte die
    anderen an. Plötzlich hob er die Hände hoch, als habe äußerstes Erstaunen ihn erfaßt. Die anderen kamen schnell näher und auch sie staunten über den Anblick, der sich ihnen bot.
    Auf dem kleinen Plateau, das die unfruchtbare Wüste überragte, stand ein einzelner
    gewaltiger Felsbrocken, der die unfruchtbaren Hügel überragte. An diesen Felsenriesen
    gelehnt lag ein großer, ungeheuer abgemagerter Mann mit langem Bart und eingefurchten
    Zügen. Seine regelmäßigen Atemzüge und das friedliche Gesicht zeigten an, daß er tief und fest schlief. Neben ihm lag ein Kind, dessen runde Ärmchen seinen braunen, sehnigen Nacken umschlungen hielten, während ihr Lockenköpfchen auf seiner samtverkleideten Brust ruhte.
    Ihre rosigen Lippen waren geöffnet und zeigten zwei regelmäßige Reihen schneeweißer
    Zähne. Ein vergnügtes Lächeln lag auf den kindlichen Zügen. Ihre rundlich kleinen, weißen Beine steckten in weißen Socken und feinen Schuhen mit glänzenden Schnallen und bildeten einen merkwürdigen Kontrast zu den langen ausgemergelten Gliedern ihres Begleiters. Auf dem Felsvorsprung, über diesem seltsamen, schlafenden Paar, saßen feierlich drei Bussarde, die jetzt, beim Anblick der Neuankommenden, heisere Schreie der Enttäuschung ausstießen und beleidigt davonflogen.
    Die Schreie der Schicksalsvögel weckten die beiden Schläfer. Erschreckt sahen sie sich um.
    Der Mann kam stolpernd auf die Füße, sah sich einen Augenblick verwirrt um und blickte in die Ebene hinab, die doch so einsam gewesen war, bevor der Schlaf sie übermannt hatte. Nun zog dort eine große Schar von Menschen und Tieren vorbei. Sein Gesicht nahm einen
    ungläubigen Ausdruck an. Er blinzelte und fuhr sich mit der knochigen Hand
    über das Gesicht.
    »Dies ist nun wohl das, was man Delirium nennt, nehme ich an«, murmelte er. Das Kind stand neben ihm, hielt sich an seinem Rockschoß fest und sagte nichts und schaute mit großem, fragendem Kinderblick um sich.
    Der rettenden Mannschaft gelang es schnell, den beiden Verlorenen klarzumachen, daß ihr Erscheinen keine

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