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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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ließ sich im Schatten eines Felsblockes nieder.
    Bevor er sich niedersetzte, legte er sein nutzlos gewordenes Gewehr ab und dazu sein großes Bündel, das er in einem grauen Umschlagtuch geknotet und über der rechten Schulter
    getragen hatte. Es sah aus, als ob das Bündel für seine schwachen Kräfte zu schwer gewesen sei, denn als er es behutsam auf den Boden setzen wollte, entglitt es seinen Händen und landete etwas unsanft auf der Erde. Im gleichen Augenblick hörte man aus dem grauen Tuch einen winzigen, klagenden Schrei. Ein kleines, furchtsames Kindergesicht mit zwei sehr hellen, braunen Augen lugte aus dem Bündel heraus, dann kamen zwei kleine,
    sommersprossige Fäuste zum Vorschein.
    »Du hast mir wehgetan!« sagte vorwurfsvoll eine kindliche Stimme.
    »Hab ich das?« sagte der Mann entschuldigend. »Ich hab' es nicht mit Absicht getan.«
    Während er sprach, knotete er das Bündel auf und heraus sprang ein hübsches kleines
    Mädchen von etwa fünf Jahren. Seine feinen Schuhe und das hübsche rosa Kleidchen mit der kleinen Leinenschürze zeugten von der liebenden Sorgfalt einer Mutter. Das Kind sah blaß und erschöpft aus, aber seine gesunden Arme und Beine zeigten, daß es weniger gelitten hatte als sein Begleiter.
    »Ist es noch nicht besser?« fragte er besorgt, denn sie rieb sich immer noch ihren goldenen Lockenkopf.
    »Küß mich und mach es wieder gut«, sagte sie ernsthaft und zeigte ihm die wehe Stelle. »Das macht Mutter auch immer so. -Wo ist Mutter?«
    »Deine Mutter ist fortgegangen. Aber ich nehme an, du wirst sie bald wiedersehen.«
    »Fortgegangen sagst du?« fragte das kleine Mädchen erstaunt, »Komisch, sie hat sich nicht von mir verabschiedet. Sie sagt mir immer Aufwiedersehen, wenn sie auch nur zu einer Tante zum Tee geht. Und nun ist sie schon drei Tage fort. Sag selber, findest du das nicht schlimm?
    Bist du auch so schrecklich durstig? Hunger hab ich auch.«
    »Nein, Schatz, hier gibt es nichts. Du mußt dich wirklich noch ein Weilchen gedulden, dann ist alles gut. Lehn deinen Kopf an mich, dann fühlst du dich gleich besser. Reden fällt einem schwer, wenn die Lippen trocken wie Leder sind, aber ich denke, ich lasse dich besser wissen, wie die Karten wirklich stehen. Was hast du denn da?«
    »Etwas ganz Feines!« rief das kleine Mädchen begeistert und hielt zwei Stücke
    Glimmerschiefer in die Höhe. »Wenn wir heimkommen, werde ich sie meinem Bruder Bob
    schenken.«
    »Du wirst bald noch Schöneres sehen«, sagte er. »Du mußt nur ein bißchen warten. Aber ich wollte dir etwas sagen -erinnerst du dich daran, wie wir den Fluß verlassen haben?«
    »O ja.«
    »Also gut. Ich dachte, wir würden bald zu einem anderen Fluß gelangen, weißt du. Aber da stimmte etwas nicht mit dem Kompaß oder der Karte, jedenfalls kamen wir nicht zu dem
    Fluß. Das Wasser ging uns aus. Wir hatten gerade noch ein bißchen für dich und — und —«
    »Du konntest dich nicht waschen«, unterbrach ihn seine kleine Begleiterin und starrte in sein schmutziges Gesicht.
    »Nein, und trinken auch nicht. Und Mr. Bender war der erste, der von uns gegangen ist und dann Indianer Pete, und dann Mrs. McGregory, und danach Johnny Hones und dann, Schatz, deine Mutter.«
    »Dann ist auch Mutter tot«, rief das kleine Mädchen, verbarg das Gesicht in der Schürze und weinte bitterlich.
    »Ja, außer dir und mir sind alle weg. — Dann habe ich gedacht, daß ich vielleicht in dieser Richtung Wasser finden könnte. So habe ich dich auf die Schultern genommen, und wir zwei machten uns zusammen auf die Wanderung. Aber wie es jetzt aussieht, stehen die Dinge für uns auch nicht besser. Jetzt haben wir kaum noch eine Chance.«
    »Willst du damit sagen, daß wir auch sterben müssen?«, fragte das Kind, hörte mit
    Schluchzen auf und wandte ihm das tränennasse Gesicht zu.
    »Ich glaube, daß es so kommen wird.«
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt«, rief sie und lachte fröhlich auf. »Du hast mich eben so erschreckt. Aber wenn wir sterben, werden wir natürlich wieder mit Mutter
    zusammensein.«
    »Ja, Schätzchen, das wirst du.«
    »Und du auch. Ich werde ihr sagen, wie gut du zu mir gewesen bist. Ich glaube, sie wird am Himmelstor stehen, wenn wir kommen. Sie wird einen Krug Wasser in der Hand halten und
    eine Menge Buchweizenplätzchen, schön heiß an beiden Seiten getoastet, grad so wie Bob und ich sie immer so gerne gegessen haben. Wie lange wird es noch dauern?«
    »Ich weiß nicht — nicht mehr sehr

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