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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Yellowstone River im Norden bis zum Colorado
    im Süden erstreckt sich diese Region des Schweigens und der Einsamkeit. Auch in dieser grimmigen Einöde ist die Natur nicht immer gleichbleibender Laune. Hohe, schneebedeckte Berge wechseln mit finsteren, bedrückenden Tälern. Flüsse mit reißender Strömung rauschen durch zerklüftete Canons, und dann dehnt sich eine enorme Ebene aus, die im Winter weiß von Schnee ist und im Sommer vom Salzstaub grau wird. Aber wenn auch die Gestalt der
    Landschaft sich ändert, der Eindruck von Unbewohnbarkeit und Trostlosigkeit bleibt immer der gleiche.
    In diesem Lande der Hoffnungslosigkeit leben keine Menschen. Manchmal durchzieht eine
    Gruppe von Schwarzfußindianern das Gebiet auf der Suche nach neuen Jagdgründen. Aber
    auch die hartgesottensten und tapfersten von ihnen sind froh, wenn sie die furchteinflößende Wüste hinter sich haben und sich wieder heil in der Prärie befinden. Der Präriewolf lauert im Gebüsch. Mit schwerem Flügelschlag schwingt sich der Bussard durch die Lüfte und der
    plumpe Grizzly-Bär trabt durch die engen, dunklen Schluchten und sucht nach Eßbarem
    zwischen den Felsen. Dies sind die einzigen Bewohner der Wildnis.
    Den bedrückendsten Ausblick hat man jedoch vom Nordhang des Sierra Blanco. So weit das Auge reicht, erstreckt sich die riesige Ebene, die nur hin und wieder von ein paar
    krüppelhaften Bäumen und verkümmerten Sträuchern durchbrochen wird. Am äußersten
    Rand des Horizonts zieht sich eine lange Bergkette, deren Gipfel wild zerklüftet und
    schneebedeckt sind. In diesem weitausgestreckten Land regt sich kein Zeichen von Leben.
    Kein Vogel ist am stahlblauen Himmel zu sehen. Nichts regt sich auf der grauen, trüben Erde.
    Und über allem herrscht tödliches Schweigen.
    Wenn also eben gesagt wurde, daß es in dieser weiten Wüste keine Spur von menschlichem Leben gab, so stimmt das nicht ganz. Wenn man von der Sierra Blanco hinuntersieht,
    entdeckt man einen Trampelpfad, der durch die Wüste führt. Er windet sich viele Male und verschwindet schließlich in der Ferne am Horizont. Der Pfad ist von Rädern zerfurcht und von den Füßen vieler Abenteurer, die ihn gegangen waren. Hier und dort liegen am
    Wegesrand verstreut weiße Objekte, die in der Sonne glänzen und sich eigentümlich von dem grauen Salzbelag abheben.
    Kommen Sie näher und schauen Sie, was es ist! Es sind Knochen. Einige sind groß und grob, andere sind kleiner und feiner. Erstere haben einst Ochsen gehört, die anderen sind
    Menschenknochen. Fünfzehnhundert Meilen lang ist diese schreckliche Karawanenstraße, die gekennzeichnet ist durch die verstreuten Überreste derer, die dort am Wegesrand ihr Ende gefunden haben.
    Am 4. Mai 1847 stand an dieser Stelle ein einsamer Wanderer und betrachtete das wüste
    Land, das vor ihm lag. Von seiner äußeren Erscheinung her hätte man ihn für den Berggeist oder einen Dämon halten können. Es würde schwerfallen, sein Alter zu schätzen. Er konnte vierzig oder sechzig Jahre alt sein. Sein Gesicht war mager und eingefallen. Die braune, ledrige Haut lag straff über den Backenknochen. Sein langes, braunes Haar und sein Bart war schon von Silberfäden durchzogen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und glänzten
    unnatürlich und fiebrig. Die Hand, die das Gewehr klammerte, war dünn wie ein Skelett. Wie er so dastand, mußte er sich auf seine Waffe stützen. Und doch ließen seine hohe Gestalt und der solide Knochenbau eine drahtige, kraftvolle Konstitution vermuten. Sein ausgemergeltes Gesicht und die Kleider, die ihm um die Glieder schlotterten, sprachen allerdings deutlich davon, wie hinfällig der Mann war. Er war am Rande des Todes, ausgehungert und fast
    verdurstet.
    Der Mann war mühselig die Schlucht hinuntergeklettert und hatte sich zu dieser kleinen Anhöhe hingeschleppt, in der vergeblichen Hoffnung, Wasser zu finden. Nun streckte sich die große Salzwüste vor seinen Augen aus. In der Ferne lag der Gürtel der wilden Berge. Kein Baum oder Strauch weit und breit, der ein Hinweis auf Wasser oder Feuchtigkeit gewesen wäre. In dieser ganzen, weiten, schrecklichen Landschaft gab es keinen einzigen
    Hoffnungsschimmer. Seine wilden, suchenden Augen erforschten Norden, Osten und Westen.
    Dann wurde ihm klar, daß er am Ende seiner Wanderung angekommen war. Auf diesem
    unfruchtbaren Felsen würde er sterben müssen. »Warum nicht genau so gut hier, statt zwanzig Jahre später in meinem Federbett?« murmelte er und

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