Sherlock Holmes und das Druidengrab
Van Dreelens Tod konnte ich leider nicht verhindern. Weil mich der Golem überraschend von hinten angriff, hatte ich keine Chance, den Stock oder den Schussapparat einzusetzen, doch ich entwand mich seinen Armen. Nur weil meine Fäuste ihre eiserne Härte der Jugend bewahrt haben, konnte ich entkommen und mich zu Catherine schleppen. Dort traf ich Sie.“
„Catherine ist Ihre Geliebte!“, fauchte ich.
„Natürlich! Der Herr weiß, dass Menschen Bedürfnisse haben und fehlbar sind.“
„Diente auch Markéta Čarná zur Befriedigung solcher … Bedürfnisse?“, fragte Holmes.
Der Pater nickte. „Auch meine Mitbrüder hatten ein Recht ...“
„Haben Sie die Frau aus dem Fenster geworfen?“, wollte ich wissen.
Der Pater war ebenso überrascht wie Holmes. „Ach, sie ist schon tot? Das muss Vacláv noch dankenswerterweise erledigt haben. Sonst wäre es mir oblegen. Sie hatte vor dessen Tod van Dreelen besucht und war auf der Treppe Vacláv und dem Golem begegnet. Zunächst wusste ich nicht, wer sie war. Van Dreelen hatte ihr wohl von mir erzählt, denn von mir forderte sie Geld für ihr Schweigen. Ihre Beseitigung als lästige Zeugin wäre so oder so unabwendbar gewesen. Schon im Interesse des Ordens.“
„ Et omnia Ad Maiorem Dei Gloriam .“ Ich war empört. „Widerlich!“
„Wir werden Mrs Vrchlicková einweihen“, versprach Holmes ruhig. „Sie wird die Konsequenzen zu ziehen wissen, und ich erwarte, dass auch Sie das tun. Wären Sie ein Offizier, würde ich Ihnen eine geladene Pistole zur gefälligen Benutzung überreichen und Sie allein lassen!“
Trotzig schwieg Mac Conmara.
Eine Woche später waren wir wieder in London. Der Tod Pater van Dreelens war trotz aller Widersprüche als Selbstmord ad acta gelegt worden. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Catherine – deren Zeugen wir ungewollt geworden waren – hatte sich der Pater auf Missionsreise nach Basongo im Kongo zu den Menschenfressern begeben. Möge er ihnen köstlich munden! Vacláv hatte uns übrigens eingesperrt, um uns als Einbrecher festnehmen zu lassen, doch wir waren ihm rechtzeitig entwischt. Er bezichtigte sich auf Drängen des Ordens bei den Behörden selbst des Mordes an Markéta Čarná und erhängte sich im Gefängnis an den Ärmeln seines eingenässten, zum Strick zusammengedrehten Hemdes. Seine fotografische Copia von Reb Treppengelaenders Handschrift hatte Holmes mitgebracht. Gerade warf er Blatt um Blatt ins Kaminfeuer.
„Es ist sicherer so“, meinte er und sah zu, wie die bläulichen Flammen alles in Asche verwandelten. Ich betrachtete derweil die Scherbe, die vom Gesicht des Golems übrig geblieben war. Das Auge unter dem Wort METh, Tod, blickte mich ausdruckslos an …
Guido Krain
www.guido.krain.de
ist Jahrgang 1970 und in Hamburg aufgewachsen. Sein gesamtes Berufsleben hat er von den Früchten seiner Tastatur gelebt. Als freiberuflicher Autor und Journalist bediente er vom klassischen Magazin bis zum Fachbuch und vom Materndienst bis zur Online-Redaktion ein sehr großes Spektrum. Seit vierzehn Jahren schreibt er auch auf dem Belletristiksektor und ist hier in erster Linie im Phantastik-Bereich vertreten.
DIE GEISTERSCHLANGE VON CASTONHALL
Guido Krain
Unsere Reise als ungemütlich zu beschreiben, könnte ich nur als Euphemismus an der Grenze zur Lüge bezeichnen. Selbst jetzt, auf den letzten Metern zum Portal des uralten Gemäuers, stapften wir durch kniehohen Schnee. Kälte und Nässe wurden mir vom boshaft schneidenden Wind unter die Kleidung gedrückt. Die Weisheit des Alters schützte mich jedoch davor, mich bei Holmes zu beklagen. Bei aller Zuneigung, die er für mich empfinden mochte, reagierte er auf Gejammer weit bissiger als ein Blizzard. Davon abgesehen war es mein Anliegen gewesen, meinen Freund Sir Roderik Winterwood anlässlich seines Geburtstags zu besuchen. Ich hatte mich also in Demut zu üben.
So unfreundlich die alte Burg wirken mochte, so liebenswert war ihr Windschatten. Müde hämmerte ich mit dem Klopfer gegen das Eingangsportal und schlug mir den Schnee von der Kleidung. Keine Minute später wurde mir geöffnet.
„Dr. Watson, Mr Holmes ... willkommen auf Castonhall“, begrüßte uns Jacoby. Ich kannte den Butler schon von diversen Besuchen, aber seine Begrüßung war immer noch so förmlich wie am ersten Tag. Irgendwie gewann das alte Gemäuer durch Jacobys steife britische Art an Nestwärme.
Unser Gastgeber stand in krassem Gegensatz zu seinem Butler.
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