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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Nervosität zu, denn ich bemerkte, daß die Geiger, die vor mir hineingingen, alle nicht lange blieben, sondern schon sehr bald wieder hinausgewirbelt kamen, als würden sie von einer Drehtür angetrieben, wie man sie neuerdings in besseren Hotels und Restaurants fand. Gelegentlich hörte ich eine Art Bellen aus dem Zimmer hinter mir, und einmal auch das Krachen eines durch die Luft fliegenden Gegenstandes, der von der Wand, an die ich meinen Kopf gelehnt hatte, gestoppt wurde. Wie sehr wünschte ich mir doch, meine geliebte Stradivari bei mir zu haben statt des zweitklassigen Instruments, auf dem ich nun in Bälde meine Vorstellung würde geben müssen. *
    »Kann mir irgend jemand sagen, warum dieser Bursche gestern aufgegeben hat?« fragte ich den Mann neben mir.
    »Nerven, nehme ich an«, antwortete dieser trocken.
    Diese Antwort sagte mir gar nichts, und da mein Gegenüber auch sonst nichts zu dem Thema zu bemerken wußte, behielt ich meine Meinung ebenfalls für mich.
    Schließlich kam ich an die Reihe. Verschämt wischte ich mir meine feuchten Handflächen an meinen Hosen ab, nahm meine Geige und trat in eine Art Künstlerzimmer, das mit Spiegeln und großen, wenn auch minderwertigen Gemälden geschmückt war.
    Es ist schwer zu beschreiben, wie sehr und wie innig ich mir in diesem Augenblick wünschte, den Posten zu erlangen. Seit meinen frühen Tagen als Schauspieler hatte ich nie für irgendeine Position vorgespielt, aber der Gedanke daran, noch einmal auf der Bühne eines Theaters – und ganz besonders dieses Theaters! – zu stehen, weckte in mir einen Ehrgeiz, der mir früher nie bewußt gewesen war. * Aber so ist es ja oft mit der menschlichen Natur; wir nehmen unsere größten Talente als selbstverständlich und betrachten sie mit Geringschätzung, während wir uns gleichzeitig nach Betätigungen sehnen, für die andere vielleicht besser geeignet wären. Clowns verspüren das Verlangen, den Hamlet darzustellen, Ärzte schreiben Romane, und in meinem Fall war da nun also ein Detektiv, der die Absicht hatte, Geige zu spielen.
    Der Raum, in dem ich mich schließlich wiederfand, war weit größer, als ich erwartet hatte. Und tatsächlich schien beinahe jeder Winkel der Pariser Opéra für Riesen geplant worden zu sein. Ganz anders als die Männer, die verantwortlich waren für die schäbigen Einrichtungen, mit denen sich die Künstler in Covent Garden zufriedengeben mußten, hatten die Lakaien des Kaisers keine Kosten gescheut, um für Publikum und Künstler gleichermaßen zu sorgen.
    Das Künstlerzimmer (später erfuhr ich, daß es sechs! davon gab) hatte Garnier als Teil einer Reihe mehr oder weniger privater Appartements konzipiert, die eigens für die Bedürfnisse des Kaisers bestimmt waren. Ursprünglich sollten sie die mitternächtlichen Essen und die besonderen Rendezvous Seiner Majestät beherbergen, jetzt aber benutzte die Direktion sie fürs Vorspielen und für gelegentliche Feiern des Ensembles. Im Augenblick war das Zimmer beinahe leer; es befanden sich lediglich ein Notenständer darin, vor dem ein einfacher, kleiner Holztisch stand sowie drei wackelige Stühle, auf denen zur Zeit ein Triumvirat schwarzgekleideter Herren saß, von denen kein einziger sich dazu herabließ, sich bei meinem Eintritt zu erheben.
    Die merkwürdigste Eigenart des Raumes stellte jedoch ein japanischer Wandschirm am anderen Ende des Zimmers dar. Dieser Wandschirm schien die ängstlichen Blicke meiner drei Inquisitoren geradezu magisch anzuziehen. »Mein Name ist –«, begann ich.
    » Keine Namen! « dröhnte eine Stimme hinter dem Wandschirm. Ich erkannte die überlauten Töne, die ich schon während meiner Wartezeit im Vorzimmer gehört hatte. »Was werden Sie spielen?« fuhr die Stimme fort. Ich erklärte mein geplantes Programm, und ich glaubte einen der Inquisitoren lächeln zu sehen.
    » Noch nicht. Jetzt noch nicht! « rief der unsichtbare Richter. »Lassen Sie uns mit einer Tonleiter in cMoll beginnen.«
    Ich war unfähig, meine Überraschung zu verbergen.
    »Nur eine einfache Tonleiter?«
    »Sie halten die cMoll-Tonleiter für so einfach?« verlangte die Stimme zu wissen. »Denken Sie daran, Sie müssen jede einzelne Note genau in der Mitte treffen, und das mit immer der gleichen Betonung. Sie müssen hinaufklettern; Sie müssen hinabsteigen. Da gibt es keinen Platz für Fehler. Jede Note muß stimmen.«
    Es ist schwer zu glauben, aber der Spitzbube hatte es tatsächlich geschafft, mich mit der Aussicht auf

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