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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Madame Giry stehe mit ihm auf vertrautem Fuß.«
    »Das ist ja absurd. Wie kann man mit einem Geist auf vertrautem Fuß stehen?« wollte Ponelle ungeduldig wissen.
    »Das ganze corps de ballet ist in ihn verliebt«, fuhr Bela unbeirrt fort. »Manche sehen einen Schatten, manche haben ihn in Abendkleidung getroffen, andere kennen ihn ohne Kopf – und alle beten ihn an.«
    »Aber sie beteuern auch alle, daß er einfach grauenhaft aussieht.«
    »Natürlich tun sie das. Und sie sind verliebt in seine Grauenhaftigkeit. Sie kennen doch die Geschichte von la belle et la béte . Die Häßlichkeit des Biests übt eine unwiderstehliche Faszination aus. Zeigt mir eine einzige Frau, die nicht enttäuscht ist, wenn er sich in einen hübschen Prinzen verwandelt.«
    »Es war jedenfalls kein magischer Prinz, der Monsieur Frédéric aus dem Theater vertrieben hat«, beharrte Ponelle mit einigem Nachdruck.
    »Was ist mit Monsieur Frédéric geschehen?« warf ich mit plötzlichem Interesse dazwischen.
    »Nun, was, glauben Sie, hat ihn dazu gebracht, schreiend hinaus auf die Straße zu rennen und zu schwören, daß er hier nie wieder spielen würde?« fragte Bela. Er wandte sich an mich. »Was glauben Sie, wie Sie zu Ihrer Stelle gekommen sind?«
    »Mein Spiel«, wagte ich vorzuschlagen, obwohl die Frage mich irgendwie ärgerte.
    »Seine Kündigung «, erinnerte er mich mit einem Stirnrunzeln. »Und wie dem auch sei«, fuhr er fort, wobei er sich nun über meine Schulter hinweg an Ponelle wandte, »die Direktion glaubt an das Phantom.«
    »Die Direktion besteht aus zwei Verrückten«, schnaubte Ponelle verächtlich. »Zwei Verrückte, denen es vorherbestimmt ist, durch zwei andere Verrückte ersetzt zu werden. Das liegt in der Natur der Sache.«
    Ich wollte gerade etwas zu dieser Beobachtung sagen, als ein bekanntes, herrisches Pochen unserem Gespräch ein jähes Ende setzte. » Meine Herren , vier Takte aus dem Buchstaben g, wenn Sie so freundlich sein wollen.«
    Und so gingen die Tage dahin. Ich bemerkte, daß ich am Abend automatisch zum Ersten Rang hinaufschaute. Die Loge war und blieb leer.
    »Nummer fünf«, erklärte Bela, der meinem Blick gefolgt war. »Es heißt, sie sei für das Phantom reserviert.« Ponelle, der diese Bemerkung aufgeschnappt hatte, rollte mit seinen blauen Augen.
    All dies Gerede über einen Geist interessierte mich, wie Sie sich vorstellen können, Watson, nur wenig. Ich bin schon immer, gelinde ausgedrückt, skeptisch gewesen, was übernatürliche Erscheinungen betrifft. Ich denke, die ganze Sache hat mich amüsiert, aber ich kann nicht behaupten, daß sie mir in meinem damaligen Gemütszustand auch nur eines einzigen ernsthaften Gedankens wert erschienen wäre. Wenn die Wirkung, die der Geist auf Monsieur Frédéric gehabt hatte, mir zu meiner augenblicklichen Stelle verholfen hatte, konnte ich dafür nur dankbar sein. Das hallende, körperlose Gelächter, das ich zu hören geglaubt hatte, als ich an jenem ersten Tag vom Weg abgekommen war, war mir bereits völlig entfallen.
    Auf jeden Fall wurde jeder Gedanke, den ich möglicherweise an den Geist verschwendet hätte, schon kurz darauf mit einem Donnerschlag zum Schweigen gebracht, der alle anderen Erwägungen aus meinem Gehirn vertrieb. Eines Morgens machte Leroux bei der Probe eine Ankündigung.
    »Meine Herren, wie Sie wissen, beginnen wir heute die Arbeit an einer neuen Aufführung von Carmen . Infolge der plötzlichen Indisposition von Mademoiselle Emma Calvé mußte die Titelrolle kurzfristig anderweitig besetzt werden. Wir sind daher zu großem Dank verpflichtet, daß die amerikanische Diva, Mademoiselle Irene Adler, die große Güte und Freundlichkeit besessen hat, die Lücke zu füllen.«

KAPITEL DREI

    Ein Geist ganz für mich allein

    Hätte Leroux mir seinen Taktstock in die Brust gejagt, er hätte kaum eine größere Wirkung erzielt. Noch während ich spürte, wie ich auf meinem Stuhl zu schwanken begann, erhob sich das Orchester um mich herum und hieß die Diva mit großem Applaus willkommen. Ich besaß soviel Geistesgegenwart, dem Beispiel der anderen zu folgen, während ich gleichzeitig meinen Kopf senkte, als wollte ich der großen Sängerin meine Ehrerbietung erweisen. Unterdessen betete ich jedoch nur darum, daß sie mich nicht erkannte. *
    Ich hätte mir darüber keine Sorgen zu machen brauchen. Miss Adler nahm den Applaus oben auf der Bühne entgegen, und von dort aus war ich unsichtbar. Dann nahm die Probe ihren Lauf.
    George Bizet

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