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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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leisesten Wunsch, ihn dasselbe Schicksal erleiden zu sehen wie Joseph Buquet.
    In der Avenue Kléber erschien auf mein Klingeln hin Henri, das Faktotum, und versuchte, mich abzuwimmeln. »Ich habe strikte Anweisungen, niemanden ins Haus zu lassen«, sagte er fest und machte wie sein Herr Anstalten, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Diesmal fing mein Fuß sie jedoch am Türpfosten ab.
    »Es ist eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit, und ich muß den Vicomte augenblicklich sprechen«, erklärte ich ihm. »Sollten Sie mir den Eintritt verwehren, sehe ich keine andere Möglichkeit, als Krawall zu schlagen.«
    Henri war, wie ich feststellen konnte, kein junger Mann mehr, und die Aussicht auf das, was ich eventuell tun würde, wo ich doch buchstäblich bereits einen Fuß in der Tür hatte, bewog ihn zu einer Entscheidung.
    Ich fand die Chagny-Brüder in der Bibliothek, in der viel zu viele ungelesene Bände zu stehen schienen. Ich war nicht weiter überrascht zu sehen, daß der Vicomte mit Unmengen schwarzem Kaffee seine Kopfschmerzen zu kurieren versuchte. Offensichtlich war er gerade erst aufgestanden. Monsieur Le Comte war, wie ich bemerkte, in seine Lektüre versunken und zog unwillig die Augenbrauen zusammen, als er mich sah.
    »Ich hoffe, Sie vergeben mir mein Eindringen«, begann ich, »und verzeihen auch Ihrem Diener, der mich lieber hineingelassen hat, als eine Szene vor Ihrer Haustür zu provozieren.«
    »Wer sind Sie, und was wollen Sie?« fragte der Comte hochnäsig. Bei anderer Gelegenheit, Watson, hätte ich ihm liebend gern Manieren beigebracht, aber für den Augenblick war der Grund meines Kommens wichtiger.
    »Ich bin ein Freund Ihres Bruders und bringe ihm eine Nachricht von Mademoiselle Daaé.«
    Bei diesen Worten blickte der kleine Vicomte auf, und Hoffnung durchflutete seine geschwollenen Züge, aber der Comte, dem man den Ärger deutlich vom Gesicht ablesen konnte, kam ihm zuvor.
    »Der Vicomte hat nicht die Absicht, sich in Zukunft mit der Person abzugeben, von der Sie sprechen«, informierte er mich, immer noch mit demselben herablassenden Tonfall. »Wir werden in Kürze die Stadt verlassen, um auf unserem Chateau in der Normandie ein wenig zu jagen.«
    »Philippe«, warf der junge Mann kläglich ein, aber da legte ihm der andere seine Hand kräftig auf die Schulter, und er sagte nichts mehr.
    »Ich bin hier, um Ihnen zu sagen, daß das genau das ist, was die junge Frau wünscht«, sagte ich und wandte mich direkt an den Vicomte, so als existiere sein Bruder gar nicht. »Sie läßt Ihnen ausrichten, daß sie Sie liebt –«
    »Das reicht !« brüllte der Comte und kam drohend auf mich zu. Er war ein großer Mann, und die Aussicht auf eine kleine Prügelei mit ihm ließ mir das Wasser förmlich im Munde zusammenlaufen. *
    »Sie liebt mich!« wiederholte der glückliche junge Mann und erhob sich unsicher auf die Füße.
    »– aber daß es das Beste für sie wäre, sie im Augenblick nicht zu sehen«, fuhr ich unbekümmert fort. »So lange, bis diese Angelegenheit beendet ist. Sie können sich jetzt wieder beruhigen«, sagte ich an den Comte gewandt. »Ich gehe.«
    Der kleine Vicomte blieb noch ein wenig unsicher stehen und winkte mir hinter dem Rücken seines Bruders zaghaft zu.

    Ich saß kaum auf meinem Stuhl, als die Probe begann. Zu den komischen Aspekten einer Opernaufführung gehört das unablässige Auswechseln der Sänger, das für gewöhnlich sehr kurzfristig erfolgt. Die stimmliche Ausrüstung eines Sängers ist ein so anfälliger Mechanismus, daß schon die kleinste Kleinigkeit für seinen Zusammenbruch verantwortlich sein kann. Einmal wohnte ich einer Aufführung von Bohème in Covent Garden bei, in der jedes Mitglied eines Quartetts von Liebenden ersetzt wurde, und zwar in jedem der aufeinanderfolgenden vier Akte, so daß am Ende des Stücks keiner der ursprünglichen Sänger mehr auf der Bühne stand. Rodolpho war nach dem ersten Akt indisponiert; Musetta nach dem zweiten; Mimi fiel während des dritten aus; und Marcello war nicht mehr er selbst im vierten. Als die Oper ihr Finale erreichte, gestanden vier völlig Fremde einander ihre unsterbliche Leidenschaft.
    Die augenblickliche Probe war für zwei Uhr angesetzt, statt für zehn, damit Gerhardt Huxtable, der den überstrapazierten Jean de Reszke ersetzen sollte (der heute abend in Faust singen würde), die Rolle des Don José in unserer Vorführung der Carmen lernen konnte. Irene Adler, immer noch in der Titelrolle,

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