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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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versuchte Huxtable über seine Anfangsschwierigkeiten hinwegzuhelfen und ihm die notwendigen Hilfen auf der Bühne zu geben.
    Ich gestehe, daß meine Gedanken an diesem Nachmittag nicht bei der Musik waren. Die Klagen des Chors, der sich gegen das Rauchen im ersten Akt wehrte, hatte ich schon früher gehört. Zu sehr war ich davon in Anspruch genommen, daß ich in Kürze mit den beiden Direktoren sprechen und ihnen meine Sache unterbreiten mußte, bevor es zu einem weiteren Zwischenfall kam, um dem zweiten Akt besondere Aufmerksamkeit schenken zu können. Die Zeit hatte sich, wie ich bereits erwähnte, in dieser Angelegenheit gegen mich verschworen. Gegen Ende des dritten Akts, als der muskulöse Huxtable seinen Messerkampf mit Escamillo ausführte, seinem Rivalen um Carmens Gunst, stellte ich fest, daß ich an den Geist dachte – an Nobody, wie Christine Daaé ihn nannte – und an seine kleinen Tricks. Es war offensichtlich, daß seine Vernarrtheit in den jungen Sopran solche Ausmaße angenommen hatte, daß jeder, der ihre Gunst oder ihre Freundschaft suchte, in Gefahr war. Wir hatten bereits miterlebt, was dem armen Buquet geschehen war, und das Mädchen selbst war in heller Aufregung vor Angst um ihren jungen Liebhaber.
    Wir waren schon mitten im vierten Akt unserer répétition , als mir plötzlich ein neuer Gedanke kam: Irene Adler hatte sich Christine Daaés angenommen – hatte sie unter ihre Fittiche genommen, wie sie es ausdrückte.
    Und tatsächlich, jetzt, da ich darüber nachdachte, hatte Irene Adler eigentlich noch viel mehr getan: Sie hatte sich so sehr für Christine Daaés Angelegenheiten interessiert, daß sie einen Detektiv engagiert hatte. Während mein Verstand sich gegen die Vorstellung sträubte, der Geist könnte allwissend sein, spekulierte ich plötzlich, ob sich seine Eifersucht wohl nur auf das männliche Geschlecht beschränkte. Wenn sein Geisteszustand, wie ich befürchtete, solche Unterscheidungen nicht machte, dann befand sich Miss Adler in Gefahr – um so mehr, als sie sich augenblicklich in der Domäne der Kreatur aufhielt.
    Als Carmen dem verschmähten Don Juan ihren ewig währenden Abscheu entgegenschleuderte (der ehrfurchtgebietende und energische Huxtable, der die physischen Aspekte seiner Erniedrigung direkt zu genießen schien, suhlte sich in der Demütigung seiner Männlichkeit), und als der Chor hinter der Bühne Escamillos Triumph bejubelte, rasten meine Gedanken. Mit Ausnahme von Buquets scheinbarem Selbstmord bevorzugte der Geist für gewöhnlich derbe Streiche und Unfälle.
    Bizet, mit seiner Schwäche für Ironie, hatte es zuwege gebracht, daß das Finale seiner Oper draußen vor der Stierkampfarena einen echten Mord zeigte, vor einem echten Publikum, während zur gleichen Zeit in der Arena selbst – das heißt hinter der Bühne – ein unsichtbarer Torero (er erfand das Wort toreador , weil er eine zusätzliche Silbe benötigte) einen unsichtbaren Stier vor einem unsichtbaren Mob aufspießte. Es war genau die Art von Ereignis, die Nobodys Vorliebe für das Sensationelle und Bizarre traf.
    Über unseren Köpfen wurde der Streit zwischen Carmen und José immer verzweifelter. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und José würde sein Messer ziehen, sie aufschlitzen wie eine Makrele und die Oper beenden, indem er ihren Namen schrie.
    Sein Messer.
    In Windeseile war ich von meinem Stuhl aufgesprungen, raste durch die Tür des Orchestergrabens, stürzte zur Leiter und rannte über die Bühne. Ich hatte keine Zeit mich umzusehen, sondern stürmte durch die Kulissen und warf mich auf Miss Adler, um meinen Körper zwischen sie und den kräftigen Messerstoß des Tenors zu bringen – etwas, das alle Anwesenden zutiefst bestürzte, während wir beide zu Boden fielen.
    » Sherlock! «
    Können Sie sich vorstellen, welche Wirkung es hatte, diesen Namen auf ihren Lippen zu hören, Watson? Ein Blitz durchzuckte meinen Körper wie ein elektrischer Stromschlag, und das, obwohl ich mittlerweile meine Hand über ihren Mund gelegt hatte.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Lieber Gott, sagen Sie, daß Sie nicht verletzt sind!« rief ich und starrte auf ihr wachsbleiches Gesicht.
    Das Messer war ausschließlich für den Gebrauch in Theateraufführungen konstruiert und die Klinge so beschaffen, daß sie in ihren Griff zurückfuhr, sobald sie auf Widerstand – wie zum Beispiel einen Körper – stieß. Das Opfer konnte, indem es den Griff fest an sich drückte, den Eindruck

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