Sherlock Holmes und das Phantom der Oper
erinnern.
»Oh, ja, was gibt es, Sigerson?«
»Ich bin hier, um eine Warnung zu übermitteln. Von dem Geist«, fügte ich hinzu, womit ich hoffte, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Nicht schon wieder. Mein lieber Mann, wir sind schon gewarnt worden. Wir haben bereits ein Übermaß von Warnungen erhalten.«
Als er die Überraschung auf meinem Gesicht sah, zuckte Richard die Achseln und holte eine Note hervor, geschrieben mit einer vertrauten Handschrift und auf vertrautem Papier. Die Botschaft lautete:
Sie haben also die Absicht, die Bedingungen unseres Vertrags zu brechen? Seien Sie gewarnt, denn ich kenne kein Pardon.
Das Papier trug keine Unterschrift.
»Dies haben wir heute morgen in unserem Büro gefunden«, erklärte Richard.
»Das ist dieselbe Handschrift und dasselbe Papier wie bei den Nachträgen zum Pachtvertrag«, stellte ich fest. »So ist es«, gab Moncharmin zu.
»Und das sagt Ihnen gar nichts, Ihnen beiden?«
»Nur, daß wir weiter Opfer eines Streichs sind, der nun lange genug gedauert hat«, bemerkte Richard gelassen.
»Meine Herren, es gibt keinen Streich und kein Phantom«, begann ich. Nichtsdestotrotz mahnte ich sie ernsthaft, die Bedingungen des Geistes nicht zu mißachten. Während ich ihnen darlegte, was ich wußte, hörten sie mir mit ungeduldigem Schweigen zu. Ich erklärte ihnen in der entschlossensten Ausdrucksweise, die mir zu Gebote stand, daß mit dem Geist, wie auch immer er in Wirklichkeit heißen oder wo auch immer er in Wahrheit sein mochte, nicht zu spaßen war, und daß Menschenleben auf dem Spiel standen. Ich drängte sie, Madame Giry wieder einzustellen und ihre Pläne, die Loge fünf zu besetzen, fallenzulassen. Und vor allem flehte ich sie an, Christine Daaé zu gestatten, heute abend die Margarete zu singen. Was das Geld anbetraf, so hatte ich das Gefühl, das konnte warten.
»Die Besetzung ändern?« fragte Moncharmin mit einem ungläubigen Blick. Von allem, was ich gesagt hatte, schien nur das letzte in sein Gehirn eingedrungen zu sein.
»Solche Änderungen gibt es doch jeden Tag«, erinnerte ich ihn.
»Aber wegen eines Geistes!«
»Es ist kein Geist, sondern ein Mann, jemand, von dem ich glaube, daß er ein Angestellter der Opéra ist, ein Mann, der einen Groll hegt und ein gefährliches Temperament hat.«
Daraufhin berichtete ich ihnen von dem jüngsten Streich des Geistes und dem, was um ein Haar geschehen wäre.
»Was haben Sie gesagt, wer sind Sie?« wollte Moncharmin, nunmehr gänzlich verwirrt, wissen.
»Er ist der Polizist, der Geige spielt«, erinnerte Richard ihn. »Sie wissen doch, Poligny hat es uns erzählt. Die Präfektur möchte, daß er diese Sache mit dem toten Maschinenmeister untersucht«, fügte er hinzu, als Moncharmin immer noch nicht zu wissen schien, worum es ging.
Zu meinem Erstaunen brach letzterer in Gelächter aus. »Mein lieber Freund«, sagte Moncharmin und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Sie haben Ihre Rolle wirklich gut gespielt.«
»Meine Rolle?«
»Natürlich! Wir hätten Sie nie für einen Polizisten gehalten, da Sie doch so ein guter Geiger sind!« Er lachte, zutiefst erfreut über seinen eigenen Scherz.
»Aber wirklich«, fügte er hinzu. »Wie Sie sehen können, sind wir furchtbar beschäftigt. Haben Sie an den Marquis de Saint-Evremonde gedacht?« * fragte er Richard und kehrte damit zu dem Thema zurück, das den ersten Platz in seinen Gedanken einnahm.
»Ja, der Bote ist bereits unterwegs.«
»Ich kann Ihnen versichern, meine Herren, daß dies kein Streich ist. Ein Mann ist bereits tot, und keine geringere Persönlichkeit als Mademoiselle Irene Adler wäre vor einer Stunde beinahe getötet worden – in diesem Haus und mit einem Kulissenmesser, dessen Klinge klemmte!«
»Ja, wir haben schon von dem Messerunfall gehört«, informierte Richard mich. »Aber irgendein Bursche ist gerade rechtzeitig dazwischengefahren. Und Ende gut, alles gut, sage ich immer.«
»Den Kulissenmeister werden wir natürlich entlassen«, fügte der andere hinzu.
»Sie können doch nicht wirklich glauben, daß das tatsächlich ein Unfall war«, flehte ich die beiden an. »Meine Herren, ich bitte Sie – bevor es zu spät ist!«
»Also, was immer auch dahinterstecken mag, wir haben genug davon. Ich kann Ihnen versichern, daß die Opéra nicht mehr mit der Schludrigkeit unserer Vorgänger geführt wird«, erklärte mir Moncharmin in einem freundlichen, aber festen Ton. »Wir danken Ihnen für Ihre Bemühungen, mon ami , doch
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