Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
Vom Netzwerk:
antun!«
    »Engel fügen Menschen in der Regel keinen Schaden zu«, stellte ich ohne besondere Skrupel fest.
    »Haben Sie noch nie etwas von Racheengeln gehört?« konterte sie, griff nach meiner Hand und drückte sie leidenschaftlich. »Bitte, bringen Sie ihn dazu, sich von mir fernzuhalten! Ich liebe ihn« – hier senkte sie ihre Stimme und sah sich ängstlich im Zimmer um, als fürchte sie, jemand könne unser Gespräch mithören – »aber er darf nicht in meine Nähe kommen!«
    »Der junge Mann liebt Sie auch, und er kann nicht verstehen, warum –«
    »Bitte!« Mittlerweile war ihre Kehle vor Angst wie zugeschnürt. »Ich bitte Sie!«
    »Und haben Sie keine Angst, der Racheengel könne Ihnen etwas antun?«
    Sie sah mich erstaunt an, blinzelte und wies dann auf sich selbst, indem sie ihren Zeigefinger an ihre Brust legte.
    »Mir? Oh, mir würde er niemals etwas zuleide tun – nicht um alles auf der Welt! Er liebt mich!«
    Als ich sah, wie erregt sie plötzlich war, beschloß ich, das Thema zu wechseln. Ich streichelte ihre Hand und löste sie sanft aus ihrem Griff um mein Handgelenk. Dann trank ich noch einmal etwas von meinem Tee.
    »Heute abend wird also der Faust gegeben.«
    »Ja, Faust .«
    »Sind Sie sehr enttäuscht, daß Sie nicht die Margarete singen werden?«
    »Oh, aber ich werde singen.«
    »Im Programm steht, daß Carlotta Sorelli singen wird.«
    Sie lachte. Es war ein temperamentvolles, mädchenhaftes Lachen, das ansteckend wirkte und einlud, ihre Heiterkeit mit ihr zu teilen.
    »Ich weiß, daß sie im Programm steht, aber das ist mal wieder typisch für ihn! Er genießt es, mich zu verspotten und zu provozieren. Er hat mir versprochen, daß ich heute abend singen werde, und ich habe keinen Zweifel an seinen Worten. Er hat geschworen, daß meine Vorstellung heute abend wie eine Bombe im Publikum einschlagen wird. Und wenn er etwas verspricht, dann kann man sich darauf verlassen!«
    Bevor ich auf diese Bemerkung etwas erwidern konnte, vernahm ich ein dreifaches, gedämpftes Schlagen der Uhr über dem Kaminsims.
    »Lieber Himmel«, rief sie aus, »ich muß meinen Mittagsschlaf halten. Der Engel besteht darauf, daß ich mich vor jeder Vorstellung ausruhe. Können Sie mir noch einmal verzeihen?«
    »Natürlich.«
    Ich war ganz zufrieden damit, das Gespräch an dieser Stelle zu beenden, denn ich hatte nicht den Wunsch, diese groteske Unterhaltung fortzusetzen. Es war mir offenkundig, daß der Geisteszustand des Mädchens überaus anfällig war, und meine jüngsten Erfahrungen hatten mich gelehrt, daß man mit den zarten Mechanismen eines menschlichen Herzens in so prekärem Zustand auf keinen Fall herumspielen durfte.
    Ich erhob mich, verabschiedete mich von Christine und bat sie, auch Mutter Valerius meinen Dank zu übermitteln.
    »Oh, ich werde ihr danken, so wie ich Mademoiselle dafür danke, daß sie Sie zu mir geschickt hat. Jetzt bin ich ganz zuversichtlich, daß alles wieder gut werden wird.«
    Mit diesen Worten erhob sie sich kurz auf die Zehenspitzen und gab mir einen unschuldigen Kuß auf die Wange.
    »Eine letzte Frage, wenn Sie so gütig sein wollen, Mademoiselle.«
    Sie zögerte und blieb lächelnd in der halb geöffneten Tür stehen.
    »Hat dieser – hat Ihr Engel auch einen Namen?«
    »Aber natürlich. Er heißt Nobody.«
    »Nobody?« Es war mir nicht möglich, eine gewisse Überraschung in meiner Stimme zu unterdrücken, und ich konnte sehen, wie sehr sie das verblüffte.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Keine Sorge. Sprechen Sie eigentlich Englisch, Mademoiselle?«
    »Kein Wort. Warum?«
    »Reine Neugier. Guten Tag.«

KAPITEL ACHT

    Noch mehr Blut

    Ich stand in der Rue Gaspard, mein lieber Watson. Der übliche Pariser Verkehr sauste und brauste um mich herum, überall war das Klipp-Klapp der Pferde zu hören, und mir wurde klar, daß ich es mit einem ganz hübschen Problem zu tun hatte. Es war, um genau zu sein, ein Drei-Pfeifen-Problem – meine einzige Schwierigkeit bestand nun aber darin, daß ich keine drei Pfeifen Zeit hatte, um es zu lösen. In weniger als sechs Stunden würde sich der Vorhang vor dem Faust heben.
    Bedenken Sie meine Lage. Ich wußte, daß die Herren Moncharmin und Richard fest entschlossen waren, die drei von dem Geist in den Vertrag eingefügten Klauseln zu mißachten.
    Ich hatte den starken Verdacht, daß der Geist oder der Engel, das Phantom oder Nobody oder wie immer man ihn nannte, verantwortlich für den Tod von Joseph Buquet war.
    Ich wußte

Weitere Kostenlose Bücher