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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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außerdem, daß er geschworen hatte, dieser Nobody, daß Christine Daaé heute abend singen würde.
    Die arme, gutgläubige, bedrängte, sanftmütige und fromme Christine, die sich ebensowenig etwas Böses vorstellen wie einen falschen Ton singen konnte – im Bann eines Schurken, der mit ihrem zarten Gemüt herumspielte und ihre ein wenig beschränkte Unschuld ausnutzte. Und dieser Kerl, Watson, betrachtete sie als sein ausschließliches Eigentum, und zwar mit dem Recht seiner persönlichen droit du seigneur . All diese Dinge deuteten stark auf ein Unheil hin, und doch – je länger ich darüber nachdachte, um so hilfloser fühlte ich mich.
    Wie konnte ich, allein auf mich gestellt, verhindern, daß die Dinge sich entwickelten, wie es das Phantom wünschte?
    Und wenn ich allein keinen Erfolg haben konnte (was sehr wahrscheinlich schien), wohin konnte ich mich mit meinem Verdacht wenden, und welche Art von Hilfestellung suchte ich eigentlich?
    »Gehen Sie zur Polizei«, höre ich Sie sagen. Guter, alter Watson. Sie nehmen immer den direktesten Weg. Was sollte ich der Polizei denn sagen?
    Daß ich einen Verdacht hatte? Ein Gefühl? Eine Befürchtung?
    Ich hatte nicht den Funken eines Beweises, mein Junge, und meine Vorahnung des Unglücks basierte auf Nichtigkeiten. Solche Nichtigkeiten betrachte ich, wie Sie wissen, als überaus wichtig für das Schmieden meiner logischen Kette, aber diese Dinge sind noch kein Beweis. Wäre ich so stumpfsinnig wie Lestrade selbst oder übereifrig wie Hopkins, hätte ich einfach nicht weiter über die Angelegenheit nachgedacht. *
    Und warum sollten sie auch auf mich hören, auf mich, einen einfachen Geiger?
    »Sagen Sie ihnen, wer Sie sind!« höre ich sie ausrufen. »Verzichten Sie auf Ihr Incognito!«
    Seien Sie versichert, daß ich es in Erwägung gezogen habe, meine wahre Identität zu offenbaren, Watson. Wahrscheinlich standen Menschenleben auf dem Spiel, und diese Überlegungen mußten schließlich schwerer wiegen als mein eigenes Bedürfnis, mich im Verborgenen zu halten. Aber schon im nächsten Augenblick wurde mir klar, daß eine solche Offenbarung meiner Sache eher schaden würde, statt ihr zu nützen. Es bestand sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß das Ganze zu meiner Inhaftierung führen würde, und das zu einer Zeit, zu der meine Freiheit von höchster Wichtigkeit war. Mit einem Wort, wie konnte ich behaupten, Sherlock Holmes zu sein, wenn die ganze Welt, einschließlich der Pariser Presse, über seinen Tod berichtet hatte? Würde eine solche Behauptung nicht auf alles einen Zweifel werfen, was ich der Polizei zu sagen hatte? Ja, sogar auf meine eigene geistige Gesundheit? Konnte es nicht dazu führen, daß man mich als möglicherweise gefährliches Subjekt in Gewahrsam nahm?
    Nein, die Polizei kam nicht in Frage. Selbst wenn sie meinen Worten Beachtung schenken würden, was wäre dann geschehen? Hunderte von Polizeibeamten, die die Opéra durchsuchten und das Publikum aufscheuchten? Eine solche Aktion hätte sehr wohl auch meinen Widersacher verschrecken können, hätte ihn dazu bringen können, von seinem Vorhaben völlig abzulassen, in welchem Fall die Polizei mich gewiß für verrückt gehalten hätte und ich wieder einmal in Gefahr gewesen wäre.
    Am besten schien es mir daher noch, Moncharmin und Richard aufzusuchen. Ich würde versuchen, diesen beiden Herren die Durchführung ihrer neuen Politik auszureden, bevor sie Grund hätten, sie zu bedauern.
    Und hier sah ich mich neuerlich vor großen Schwierigkeiten.
    Ich wußte, daß die beiden Herren an einem Regierungsessen teilnahmen, wo sie den Beginn ihrer Amtsperiode feierten, und ich selbst mußte mich um zwei Uhr nachmittags zu einer Sonderprobe einfinden. Ich konnte unmöglich meine Position aufs Spiel setzen, indem ich nicht teilnahm. Meine Entlassung aus der Opéra war das letzte, was ich mir augenblicklich hätte leisten können. Meine einzige Hoffnung bestand also darin, die neuen Direktoren nach der Probe und vor der Abendvorstellung aufzuspüren. Und das war für meinen Geschmack eigentlich zu knapp. Aber ich sah keinen anderen Ausweg aus meinem Dilemma. In der Zwischenzeit wollte ich den Vicomte aufsuchen und ihm Christine Daaés Warnung übermitteln. Ich war mir nicht sicher, ob mein Auftrag, Mademoiselle Daaé zu beschützen, auch Dienste als Amor einschloß, der ihrem Liebsten Nachrichten überbrachte, aber er zumindest würde zuhören, was ich zu sagen hatte. Ich verspürte nicht den

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