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Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Sherlock Holmes und das Phantom der Oper

Titel: Sherlock Holmes und das Phantom der Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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der Operngala im Anschluß an den Maskenball wieder benutzbar zu sein; der große Ball sollte wie geplant stattfinden. Die Direktion bedauerte den schrecklichen Unfall, war aber natürlich für ein Unglück, das sich am ersten Tag ihrer Amtszeit ereignete, nicht verantwortlich zu machen. Ein neuer Kronleuchter würde schon bald, etc., etc.
    Ich wußte, daß Madame Giry bereits wieder auf ihrem alten Posten war. Und ich bezweifelte, daß die Direktoren jemals wieder auch nur in die Nähe der Loge fünf gehen würden, und gewiß hatte ›Nobody‹ einen Vorschuß auf seine monatlichen zwanzigtausend Francs erhalten.
    Überseekoffer, Handgepäckstücke und Kisten der verschiedensten Größen und Macharten lagen überall in der Suite verstreut, während Irene Adlers Zofe hin und her trottete, um sie nach den Anweisungen ihrer Herrin zu füllen.
    Selten in meinem Leben, Watson, habe ich mich so schuldig gefühlt, so furchtbar begriffsstutzig.
    »Sie tun sich Unrecht«, beharrte Irene Adler, als ich diesen Gefühlen mehrfach Ausdruck verlieh. »Wie hätten Sie denn so etwas vorhersehen können, und wie hätten Sie diese Menschen vor ihrem Schicksal warnen sollen?«
    »Ich hätte besser doch die Polizei hinzugezogen.«
    »Dort hätte man Ihnen nicht geglaubt, und hätten Sie versucht, Ihre wahre Identität zu offenbaren, wären Sie möglicherweise für verrückt erklärt und eingesperrt worden.«
    Ihre vernünftigen Überlegungen verliefen in den gleichen Bahnen wie meine eigenen, das stimmte, aber im Augenblick konnte ich dieser Tatsache nichts Tröstliches abgewinnen.
    »Ich bin geschlagen worden.«
    »Ich denke, Sie haben auch früher schon manch eine Schlacht verloren«, sagte sie ohne eine Spur von Koketterie. »und trotzdem haben Sie den Krieg schließlich doch gewonnen.«
    »Aber was auch immer ich tue, ich kann diese unschuldigen Menschen nicht wieder lebendig machen«, konterte ich düster.
    »Auf der anderen Seite«, bemerkte sie trocken, »haben Sie mir das Leben gerettet. Das ist doch auch ein gewisser Verdienst, wenn auch vielleicht nur ein kleines.«
    Ich blickte auf und sah einen verletzten Ausdruck auf ihrem Gesicht; es war das zweite Mal in zwei Tagen, daß ihr Gesicht etwas anderes zeigte als seinen üblichen Ausdruck belustigter Distanziertheit. Ich spürte, wie der Beginn eines neuen Kopfschmerzes an meine Schläfen pochte. Unerklärlich, Watson, da Sie doch wissen, wie selten ich davon heimgesucht werde. *
    »Bitte, vergeben Sie mir, wenn meine Bemerkungen zu heftig waren«, sagte ich demütig. »Ich danke Gott, daß Ihnen nichts zugestoßen ist.«
    Es entstand eine kummervolle kleine Pause. Miss Adler, die noch immer an ihrem Frühstückstisch saß, zündete sich eine Zigarette an und goß sich eine Tasse Kaffee ein.
    »Warum wollte er nur so viele Menschen töten?« fragte sie sich laut. Ihre Gedanken kehrten immer wieder zu den schrecklichen Ereignissen des vergangenen Abends zurück.
    »Er hatte gar kein Interesse an den vielen Menschen, ihn interessierte lediglich ein einziger.«
    »Sie sprechen in Rätseln.«
    »Richards Concièrge saß im Publikum. Er hatte ihr eine Karte für die Opéra gegeben, bevor sie Madame Girys Posten übernehmen sollte. Sie allein war es, die das Phantom treffen wollte. Die anderen bedeuteten ihm nichts.«
    Bei dieser Mitteilung weiteten sich ihre Augen erschrocken, und sie stellte ihre Kaffeetasse mit einem schärferen Klirren ab, als sie beabsichtigt hatte.
    »Wollen Sie damit sagen, daß all die anderen Menschen nur deshalb sterben mußten, damit er sicher sein konnte, daß sie unter ihnen war?«
    »Genau.«
    Sie gestattete sich ein kurzes Schaudern.
    »Ich habe das Gefühl, daß ich gerade noch mal mit heiler Haut davongekommen bin.«
    »Das stimmt.« Ich zündete mir, um ihr Gesellschaft zu leisten, ebenfalls eine Zigarette an und wartete. Aus dem Schlafzimmer hörte man das Schnappen der Kofferschlösser, die von der Zofe zugedrückt wurden. Dieses Geräusch riß sie aus den trüben Gedanken, in die sie versunken war, und sie sah mich noch einmal an.
    »Ist es nicht eine seltsame Ironie, daß die einzige Person in dieser Sache, die nicht den geringsten Schutz braucht, die geradezu unverletzlich ist, eben jene ist, zu deren Schutz ich Sie engagiert habe?«
    Ich zögerte. Sie sah mich an und neigte ihren Kopf, wie sie es so oft zu tun pflegte.
    »Nach dem, was ich von der menschlichen Natur weiß, Miss Adler, ist eine so intensive Zuneigung wie die, die Nobody für

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