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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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und bot mir eine Zigarre an, die ich dankend annahm. »Und du, du bist beinahe so berühmt wie er! Deine Aufzeichnungen – ›Eine Studie in Scharlachrot‹, ›Im Zeichen der Vier‹ … Du hast eine echte Begabung zum Erzählen, Watson, und auch ein Gefühl für Buchtitel, das muß ich schon sagen. Aber jetzt bekenne – wir sind ganz unter uns, und ich werde keiner Seele etwas verraten –, kann unser Freund, kann Holmes wirklich all diese Dinge tun, von denen du schreibst? Nun mal ganz ehrlich!«
    Ich erwiderte mit einiger Kühle, daß meiner Ansicht nach Holmes der beste und klügste Mann sei, den ich je getroffen habe.
    »Durchaus, durchaus«, stimmte Stamford, seinen Mangel an Takt sogleich erkennend, hastig zu. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. »Wer hätte das gedacht? Ich meine, ich habe immer gewußt, daß der Mann clever ist, aber ich hatte keine Ahnung! Na gut.« Es schien ihm schließlich aufgegangen zu sein, daß ich mit meinem Besuch einen bestimmten Zweck verfolgte, und brachte auch sogleich das Gespräch darauf: »Kann ich irgend etwas für dich tun, Alter?«
    Ich bejahte, sammelte mich und umriß in Kürze die Krankheitsgeschichte eines kokainsüchtigen Patienten, wobei ich mit aller Vorsicht auf die Hirngespinste im fortgeschrittenen Stadium der Sucht einging. Ich fragte ihn, was man tun könne, um so einen Menschen von seinen Leiden zu heilen.
    Stamford, daß muß ich ihm lassen, lauschte mit größter Aufmerksamkeit. Er hatte die Arme auf den Schreibtisch gestützt und rauchte schweigend, während ich die Einzelheiten erläuterte.
    »Hm«, sagte er, als ich geendet hatte, »und sag mir, glaubst du, daß der Patient selbst sich nicht über den Ursprung seines Verfolgungswahnes im klaren ist? Begreift er, daß dieser Wahn von der Droge gefördert wird, auf deren Einnahme er weiter besteht?«
    »Anscheinend nicht. Ich glaube, er ist in einem Stadium – wenn es so etwas gibt –, in dem er nicht mehr merkt, daß er überhaupt Kokain nimmt.«
    Stamford zog die Augenbrauen hoch und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Watson, ich will ehrlich mit dir sein, ich weiß nicht, ob da eine Heilung möglich ist. Um es genau zu sagen«, fuhr er fort, erhob sich vom Schreibtisch und kam auf mich zu, »die Medizin weiß sehr wenig über Suchtkrankheiten. Aber wenn du mit deiner Fachlektüre auf dem laufenden bist, wirst du wissen, daß eines Tages, in absehbarer Zukunft, Drogen wie Kokain oder Opium ohne Rezept illegal sein werden.«
    »Was soll mir das schon nützen!« rief ich verbittert. »Bis dahin kann mein Patient längst gestorben sein.« Der bloße Gedanke machte meine Stimme so laut und scharf, daß seine Aufmerksamkeit geweckt wurde. Ich mußte versuchen, gleichgültiger zu erscheinen.
    Stamford musterte mich einen Augenblick lang, und ich hielt seinem Blick stand, so gut es ging. Dann kehrte er an den Schreibtisch zurück.
    »Ich weiß nicht, Watson, was ich dir raten soll. Wenn es dir gelänge, deinen – deinen Patienten davon zu überzeugen, daß er sich ganz und gar deiner Aufsicht und Pflege anvertrauen muß.«
    »Das steht ganz außer Frage«, unterbrach ich ihn, wobei es mir gelang, lässig die Zigarre zu schwenken.
    »Ja, dann –«. Er breitete mit einer hilflosen Geste die Arme aus. »Halt, warte«, er stand wieder auf, »da war doch etwas, das dir helfen könnte. Wo hab’ ich es denn hingetan?«
    Er begann, das Büro zu durchwühlen, wobei er ohne Rücksicht ganze Stöße von Papier durcheinanderbrachte und eine Menge Staub aufwirbelte. Und wieder zog sich mein Herz zusammen bei der Erinnerung an Holmes’ Aktenchaos in der Baker Street, wo die Suche nach einer Information oder nach den Unterlagen eines zurückliegenden Falles oft genug dazu führte, daß wir hustend für Stunden das Haus verließen, in der Hoffnung, daß der Staub sich in der Zwischenzeit wieder gesetzt hatte.
    »Hier ist es«, rief er triumphierend und erhob sich, eine Ausgabe des Medizinischen Journals ›Lancet‹ in der Hand. »Es ist die Märznummer«, erläuterte er etwas außer Atem und gab mir das Blatt. »Hast du sie gelesen?«
    Ich verneinte, da ich zuviel Arbeit gehabt hätte, glaubte aber, die Nummer zu Hause liegen zu haben.
    »Nimm sie auf jeden Fall mit, vielleicht hast du deine verlegt«, und er drückte mir die Zeitschrift in die Hand. »Es geht um einen jungen Mann – in Wien glaube ich –, jedenfalls, ich habe es nicht ganz gelesen, aber er scheint eine Kur gegen Kokainsucht zu

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