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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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angezündet zu werden. Dann machen wir es uns gemütlich, und du bekommst, wenn du willst, einen Brandy und Soda zu deiner Pfeife. Und dann erzählst du mir, was vorgefallen ist.«
    Ich fügte mich den Anweisungen meiner Frau wie ein Kind, lehnte es jedoch ab, mir meinen Brandy mit Soda zu verdünnen. Zu Beginn unserer Bekanntschaft hatte ein Porträt von General Gordon, das sich in meinem Besitz befand, großen Eindruck auf meine Frau gemacht. Ich habe nie herausgefunden, wie die triviale Tatsache ihr zur Kenntnis kam (möglicherweise gehörte es in den militärischen Kreisen, denen sie entstammte, zur Allgemeinbildung), jedenfalls soll General Gordon Brandy und Soda allen anderen Getränken vorgezogen haben. Auch hatte meine Frau eine übersteigerte Vorstellung von meiner soldatischen Vergangenheit, vielleicht weil ich an der Front in Afghanistan verwundet worden war. Wie dem auch sei, sie bemühte sich unaufhaltsam, eine Vorliebe für General Gordons Gebräu in mir zu kultivieren. Vergebens war mein Einwand, daß ich das Bild des Generals nach dem Tode meines älteren Bruders geerbt hatte, vergebens der Hinweis, daß der General mein Regiment, die Fünften Northumberland-Füsiliere, nie kommandiert hatte. Sie verehrte ihn leidenschaftlich – vor allem, weil er zur Abschaffung des chinesischen Sklavenhandels beigetragen hatte – und gab nie die Hoffnung auf, daß ich mich eines Tages zu dem Lieblingsgetränk ihres Helden bekehren würde. Aber dieses Mal nahm sie keinen Anstoß daran, daß ich – wie üblich – kein Sodawasser im Glas hatte.
    »Nun, Jack«, sagte sie aufmunternd, nachdem sie es sich mit Grazie im Roßhaarsofa gegenüber meinem Sessel bequem gemacht hatte – demselben Sessel, in dem Holmes in der vergangenen Nacht eingeschlafen war. Sie trug noch ihr Reisekostüm – grauen Tweed mit einem Hauch Spitze um Hals und Handgelenke –, abgesehen vom Hut, den sie vor dem Essen natürlich abgenommen hatte.
    Ich nahm einen Schluck Brandy, steckte mir mit großer Umständlichkeit eine Pfeife an und berichtete ihr dann die ganze Katastrophe.
    »Armer Mr. Holmes!« rief sie aus, als ich geendet hatte. Sie preßte vor Erregung die Hände zusammen und hatte Tränen in den Augen. »Was sollen wir nur tun? Können wir etwas für ihn tun?« Ihr Wille und ihre Bereitschaft zu helfen, wärmten mir das Herz. Ihr kam nicht einmal der Gedanke, den Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen und meinen Freund und seine widerliche und entstellende Krankheit zu meiden.
    »Ich glaube, es gibt eine Maßnahme, die man ergreifen könnte«, erwiderte ich und stand auf, »aber es wird nicht leicht sein. Holmes ist zu tief gesunken, um freiwillig Beistand anzunehmen, und ich vermute, daß er immer noch zu schlau ist, um eine List nicht zu durchschauen.«
    »Dann –«
    »Einen Augenblick, Liebste. Ich möchte etwas aus dem Vorraum holen.«
    Ich ging hinaus, um die Nummer des ›Lancet‹ zu suchen, die Stamford mir gegeben hatte. Als ich wieder ins Wohnzimmer ging, sann ich darüber nach, ob Mary mir, wenn nötig, helfen könnte, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Sie war eine selbständige junge Frau, die sich im Leben behauptet hatte. Meinen Plan hatte ich entwickelt, während ich in Waterloo auf ihren Zug wartete und den Artikel des österreichischen Spezialisten las.
    Ich trat ins Wohnzimmer, schloß die Tür und berichtete meiner Frau von dem Gespräch mit Stamford und von dessen Resultat.
    »Du sagst, du hast den Artikel gelesen?«
    »Ja, zweimal, während ich auf dich wartete.« Ich ließ mich wieder auf dem Sessel nieder und breitete den ›Lancet‹ auf meinen Knien aus, um nach dem Beitrag zu suchen.
    »Dieser Arzt – ah, hier ist es – dieser Arzt hat ausführliche Studien über den Gebrauch von Kokain betrieben. Zunächst kam er zu dem, wie er selbst zugibt, irrigen Schluß, daß die Droge wundervolle Heilkräfte gegen beinahe jede Krankheit und gegen Alkoholismus habe. Dann kam er allerdings dem entsetzlichen Fluch der Sucht auf die Spur, als ein guter Freund von ihm daran zugrunde ging.«
    »Zugrunde ging«, wiederholte sie flüsternd.
    Wir tauschten angstvolle Blicke, beide innerlich mit der furchtbaren Möglichkeit beschäftigt, daß Holmes auf diese groteske Weise ums Leben kommen könnte. Meine Frau hatte ebensoviel Grund, Holmes dankbar zu sein, wie ich; denn durch ihn hatten wir einander kennengelernt. Ich schluckte und fuhr fort:
    »Wie dem auch sei, nach dem Tode dieses Mannes – Anfang dieses

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