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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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Jahres – nahm der Arzt, der der Verfasser dieses Artikels ist, seine positive Beurteilung des Kokains zurück und setzt jetzt alle seine Kräfte ein, um die Unglücklichen zu heilen, die dem Kokain verfallen sind. Er weiß mehr über dieses Rauschgift als jeder andere Wissenschaftler in Europa.«
    Wieder tauschten wir Blicke.
    »Wirst du ihm schreiben?« fragte sie.
    Ich schüttelte den Kopf. »Dazu ist keine Zeit. Holmes ist zu weit auf dem Weg zum Abgrund, wir dürfen nicht eine Stunde vergeuden. Er hat eine gute Konstitution, aber sie kann dem Wüten des Giftes, das er sich einspritzt, nicht lange widerstehen. Wird ihm nicht sofort geholfen, muß sein Körper versagen, bevor wir noch Gelegenheit haben, seinen Geist wiederherzustellen.
    Ich bin dafür, mit ihm auf den Kontinent zu reisen. Dieser Arzt soll ihn dann behandeln, und gleichzeitig werde ich alle Hilfe leisten, die durch meine Vertrautheit mit Holmes möglich ist. Ich bin bereit, so viel Zeit und Energie zu opfern, wie ich kann.«
    Meine Frau saß eine Weile sehr still und tief in Gedanken versunken. Als sie sich mir zuwandte, zeigten mir ihre kritischen Fragen wieder einmal die praktische Seite ihres Charakters.
    »Wenn dieser Mann nicht helfen kann – was dann?«
    Ich zuckte die Achseln. »Er scheint der einzige Mensch in Europa zu sein, der sich in der Materie auskennt. Wir müssen es auf den Versuch ankommen lassen.«
    Sie nickte.
    »Aber der Arzt? Wird er Holmes empfangen? Vielleicht ist er zu beschäftigt oder« – sie zögerte – »zu teuer.«
    »Diese Frage werde ich beantworten können, sobald ich Antwort auf mein Telegramm erhalte«, ließ ich sie wissen.
    »Du hast ihm ein Telegramm geschickt?«
    Ich hatte nach der Lektüre des Artikels vom Bahnhof aus telegrafiert. Ich war darin dem Beispiel von Holmes gefolgt, der Telegramme allen anderen Arten der Mitteilung vorzog. Ich wand mich, als mir einfiel, daß er zur Zeit den armen Moriarty mit ihnen bombardierte. Mein Telegramm allerdings war voll gerechtfertigt, nichts anderes hätte meinem Zweck gedient. Ein Telefon hätte ich auch dann nicht benutzt, wenn es im Jahre ’91 schon Überseeleitungen gegeben hätte. Ich hatte Holmes’ Vorurteil gegen das Telefon übernommen. In einem Telegramm, so pflegte er zu sagen, ist man gezwungen, sich knapp und in der Folge logisch auszudrücken. Auf eine Nachricht erhält man eine Nachricht und keinen überflüssigen Redeschwall. Ich wünschte keine lange Antwort, mir genügte ein klares, unverbrämtes Ja oder Nein.
    »Aber«, ließ sich meine Frau mit einem Seufzer vernehmen und lehnte sich zurück, »wir haben nicht mit Mr. Holmes gerechnet. Du sagst selbst, daß man ihn nicht überlisten kann. Nehmen wir an, der Doktor will ihn behandeln. Wie überreden wir ihn dazu, dorthin zu reisen? Deinen Worten entnehme ich, daß er mehr auf der Hut ist, als je zuvor.«
    »Das ist wahr«, erwiderte ich kopfschüttelnd. »Es wird nicht leicht sein, Holmes zu einer Auslandsreise zu überreden. Er muß glauben, er ginge auf eigenen Wunsch.«
    »Und wie sollen wir das bewerkstelligen?«
    »Wir müssen ihn glauben machen, er sei auf Professor Moriartys Spur – und wir müssen die nötigen Indizien dazu schaffen.«
    Noch nie hatte mich ein Mensch so erstaunt angesehen wie meine Frau in diesem Augenblick.
    »Indizien schaffen?« fragte sie atemlos.
    »Ja.« Ich erwiderte ruhig ihren Blick. »Wir müssen eine falsche Spur erfinden, die Holmes nach Wien führt.«
    »Solch einen Plan wird er durchschauen«, wandte sie automatisch ein, »niemand weiß so viel über Indizien wie er.«
    »Das mag wohl sein«, erwiderte ich, »aber niemand weiß so viel über Holmes wie ich.« Ich lehnte mich vor. »Ich werde jeden Kniff anwenden, um ihn auf die Spur zu locken. Spitzfindigkeit ist nicht meine Stärke, dafür aber seine, und ich werde sie vorübergehend annehmen. Ich werde denken, wie er denkt; ich werde Notizen über alte Fälle heranziehen, an denen er und ich gemeinsam gearbeitet haben; du mußt mir helfen, und dann«, schloß ich, mutiger, als ich mich in Wirklichkeit fühlte, »wird er schon tun, was wir wünschen. Wenn nötig«, fügte ich etwas lahmer hinzu, »bin ich bereit, eine große Summe Geld aufzubringen.«
    Meine Frau wurde sehr ernst. Sie beugte sich nach vorne und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Forschend, aber liebevoll blickte sie mir in die Augen.
    »Das alles würdest du tun – für ihn?«
    »Ich wäre der erbärmlichste Lump auf Erden, täte

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