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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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ich es nicht«, antwortete ich, »nach allem, was ich ihm zu verdanken habe.«
    »Dann werde ich dir helfen«, sagte sie einfach.
    »Gut.« Ich ergriff ihre Hand und drückte sie erregt. »Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann. Aber erst müssen wir der Mithilfe des Arztes sicher sein.«
    In demselben Augenblick war jedoch dieses Hindernis schon überwunden. Ein Klopfen ertönte an der Haustür, und kurz darauf trat das Mädchen mit einem Telegramm ein. Ich brach das Siegel mit zitternden Händen auf und las eine kurze, in unbeholfenem Englisch abgefaßte Mitteilung, die besagte, der Doktor »stehe dem großen englischen Detektiv gratis zur Verfügung«, ein endgültiger Bescheid sei dringend erwünscht. Ich kritzelte hastig eine Antwort und schickte das Mädchen damit hinaus.
    Nun blieb uns nur noch, Sherlock Holmes nach Wien zu befördern.

KAPITEL VIER

    Zwischenspiel in Pall Mall

    Es war natürlich leicht zu sagen, man werde sich die Denkart Sherlock Holmes’ aneignen, aber es war etwas ganz anderes, es auch zu tun.
    Angefeuert von dem Telegramm, rückten wir unsere Sessel näher zusammen und begannen, sobald ich meine Notizen aus den Regalen hervorgeholt hatte, unsere falsche Spur zu planen.
    Aber ach, es war schwieriger, als wir uns vorgestellt hatten. Leser meiner Werke haben sich berufen gefühlt, mich, den Autor, als »schwer von Begriff«, einen Einfaltspinsel, hoffnungslos gutgläubig, gänzlich phantasielos und noch Schlimmeres zu bezeichnen. Zu allen diesen Anklagen bekenne ich mich unschuldig. Es trifft zwar zu, daß ich bei manchen der Erzählungen Gebrauch von schriftstellerischer Freiheit gemacht und mich im Vergleich mit Holmes als übertrieben dumm dargestellt habe, aber diese Übertreibungen habe ich nicht nur angewendet, um die Fähigkeiten meines Freundes dem Leser gegenüber aufzuwerten, sondern auch, weil man sich in seiner Gegenwart leicht ein wenig töricht fühlte, ob man nun Durchschnittsintelligenz besaß oder nicht; was ich, am Rande bemerkt, von mir doch behaupten möchte.
    Aber wenn ein normaler Kopf, zusammen mit allem guten Willen der Welt, sich vornimmt, einen überlegenen Geist zu überlisten, dann stellt sich sehr schnell heraus, wo das Problem steckt. Wir machten an diesem Abend ein Dutzend Versuche, und jedesmal gab es eine Lücke, einen Fehler in der Argumentation oder einen Mangel in ihrem Niveau, der, wie ich wußte, Holmes’ Aufmerksamkeit erregt hätte. Meine Frau spielte den advocatus diaboli und fand die Achillesferse an mehreren Plänen, die auf den ersten Blick brillant schienen.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so vor dem Feuer über meinen Notizen brütete und mir den Kopf zerbrach, nur daß es mir sehr viel länger erscheinen wollte, als die Uhr auf dem Kaminsims angab.
    »Jack!« rief meine Frau auf einmal aus. »Wir haben das alles ganz falsch angepackt.«
    »Wie soll ich das bitte verstehen?« fragte ich etwas gereizt, denn ich fand, daß ich mein Bestes tat, und es ärgerte mich, von meiner eigenen Frau zu hören, daß meine Bemühungen, meinem Freund zu helfen, ›alle falsch‹ sein sollten.
    »Sei nicht böse«, bat sie schnell, als sie sah, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, »ich meinte nur: Wenn wir jemanden brauchen, der Mr. Holmes überlisten soll, dann müssen wir zu seinem Bruder gehen.«
    Warum nur hatte ich daran nicht früher gedacht? Impulsiv beugte ich mich vor und küßte meine Frau auf die Wange.
    »Du hast recht«, entgegnete ich und stand auf. »Mycroft ist der Mann, um den Köder in die Falle zu legen. Selbst Holmes gibt zu, daß Mycroft ihm intellektuell überlegen ist.«
    In meiner Ungeduld hatte ich schon fast die Tür erreicht.
    »Willst du jetzt zu ihm gehen?« protestierte sie. »Es ist schon fast zehn, Jack, und du hast für heute genug getan.«
    »Ich sage dir, es ist keine Zeit zu verlieren«, antwortete ich und schlüpfte in mein Jackett, das ich vorm Feuer aufgehängt hatte. »Und wenn ich noch vor elf im Diogenes-Club bin, werde ich Mycroft höchstwahrscheinlich dort vorfinden. Warte nicht auf mich«, fügte ich hinzu und gab ihr noch einen zärtlichen Kuß.
    Draußen nahm ich eine Droschke und gab dem Fahrer die Adresse des Diogenes-Club, wo Mycroft sich gewöhnlich aufhielt. Dann lehnte ich mich in die Polster zurück und lauschte dem Klappern der Pferdehufe auf dem Kopfsteinpflaster, während wir durch die mit Gaslaternen erhellten Straßen fuhren. Ich versuchte wach zu bleiben, obwohl ich, ehrlich gesagt,

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