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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Preyer
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lassen. Holmes war nicht wirklich klar, warum er dem Doktor die Geschichte von den Reichenbach-Fällen erzählt hatte. Auch dieses WARUM war zu klären, bevor er sich erfolgreich seinem eigentlichen Ziel widmen konnte, dem Sieg über Moriarty, der Befreiung des Landes, ja, der Welt, von dieser Gefahr.
    Holmes war trotz des Mairegens im Regent's Park unterwegs. Das Singen der Vögel klang noch intensiver als sonst. Sie schienen die Feuchtigkeit eines ansonsten außergewöhnlich trockenen Frühlings willkommen zu heißen.
    Warum war er selbst Detektiv geworden? , überlegte er. Wegen seiner Fähigkeit, logisch zu denken? Weil er ein guter Beobachter und imstande war, Details einem Ganzen zuzuordnen? Deduktion nannte er das. Und weil er nicht aufgab, bis das Ergebnis erreicht war. Mit Ausnahmen, zugegeben. Wenn er sich an seinen ersten Fall zurückerinnerte, an seinen Onkel Mortimer. Mortimer, Moriarty. Morstan, Moran. Mors, mortis, der Tod im Lateinischen. Wenn er seine Gabe, Schlüsse zu ziehen, auf seinen eigenen Werdegang anwandte, so ergab sich die Profession des Detektivs zwar als eine Möglichkeit, neben der jedoch eine Unzahl anderer Berufe stand. Er hätte Arzt, Politiker, Journalist oder Agent des Geheimdienstes werden können wie sein Bruder Mycroft. Auch in dessen Namen verbarg sich der Tod. Der ewige Schlaf, wie bei Morphium, der Droge, der sein Vater verfallen war. Auch daran war der Onkel schuld. Er nahm dem Vater die Frau, machte ihn süchtig, um ihm auch das Leben und sein Vermögen zu nehmen, das durch die frühere Tüchtigkeit des Mannes, aber auch durch Erbschaft als älterer Bruder beträchtlich war. Sie hatten eine Haushälterin, der Vater verließ das Bett nicht mehr. Es war abzusehen, dass seine Tage gezählt waren, dass der verhasste Onkel triumphieren und die beiden Söhne ihr Heim verlieren würden.
    Der um sieben Jahre ältere Bruder Mycroft analysierte das, beklagte es, unternahm aber nichts dagegen. Sherlock verstand das nicht und entwickelte einen Plan, den Onkel auszuschalten. In seiner noch kindlichen Naivität vertraute er auf seine Mutter, bat sie um ein Gespräch im Hause des Feindes und erklärte ihr, sie müsse den bösen Mann verlassen und zumindest den Kindern zuliebe zu ihrem Ehemann zurückkehren. Die Frau verabschiedete sich von dem Jungen mit vielen Küssen und Versprechungen.
    Aber es geschah nichts. Der Vater, der schon hoch verschuldet war, wurde offenbar weiterhin mit Drogen versorgt, wobei er Hab und Gut verpfändete. Eine ausweglose Situation, außer es gelänge, den Bösen auszuschalten. Aber wie?
    Der junge Holmes erkannte, man müsste den Mann mit denselben Mitteln schlagen, mit denen dieser gegen seinen Vater agiert hatte, ihm die Frau weglocken, ihn in seiner Depression weiter quälen, bis er in die Knie ging oder starb, oder ihn auf andere Weise körperlich vernichten. Diese Möglichkeiten standen dem Jungen nicht offen, daher siegte der Böse. Damals.
    Sherlock und Mycroft Holmes kamen zu einer Großtante, wo sie bescheidener, aber durchaus gesichert heranwuchsen und das Vergangene einigermaßen vergaßen, bis auf die Wahl ihrer späteren Berufe, in denen sie dem Bösen in der Welt nachspüren und es verfolgen konnten. Und bis auf den Umstand, dass beide ein Misstrauen den Vertreterinnen des weiblichen Geschlechtes gegenüber hatten, das sie zwar verehrten, aber immer in einer gewissen Distanz zu ihrer Person hielten.
    Das war sie also, die Geschichte des ersten Bösewichts in Holmes' Leben, der sich als unüberwindbar erwiesen hatte. Mit dem Unterschied, dass Holmes jetzt kein kleiner Junge mehr war, dass ihm alle Möglichkeiten und Fähigkeiten eines Erwachsenen zur Verfügung standen. Er musste sie nur richtig einsetzen.
    Als Holmes in das Haus seines Freundes Watson zurückkam, war er bis auf die Haut durchnässt, fühlte sich aber geistig und seelisch erfrischt wie schon lange nicht mehr. Er zog sich in das Gästezimmer zurück, entnahm seinem silbrig schimmernden Etui eine Spritze und zog die übliche fünfprozentige Lösung Kokain auf, um sie sich zu injizieren. Wie sein Vater hatte er begonnen, auf eine Droge zu setzen. Allerdings nicht auf einschläferndes Gift, sondern auf eine Substanz, die es ihm ermöglichte, seine Fähigkeiten zu bündeln und zu schärfen. So jedenfalls betrachtete der Detektiv seine Neigung zu Kokain. Und Watson hatte natürlich recht. Seine erste Begegnung mit der weißen Göttin hatte er in Moriartys Fielding Club gehabt. Aber er

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