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Sherlock Holmes und die Theatermorde

Sherlock Holmes und die Theatermorde

Titel: Sherlock Holmes und die Theatermorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Meyer
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nicht zu erkennen.
    »Gut. Ich brauche den Namen des führenden Spezialisten für Tropenkrankheiten hier in London.«
    »Tropenkrankheiten?« Er runzelte die Stirn und fuhr sich mit einer eleganten Handbewegung über den Mund, während er seine Antwort erwog. »Also, es ist Ainstree, der –«
    »Er ist zur Zeit nicht in England«, teilte ich ihm mit.
    »Ha! Nein, das ist wahr.« Der Arzt unterdrückte ein Gähnen, das seine Gedächtnisschwäche im Hinblick auf die vorgerückte Stunde erklären sollte.
    »Lassen Sie mich sehen –«
    »Jede Minute zählt, Dr. Agar.«
    »Ich verstehe.« Er überlegte noch einen Augenblick, seine blauen Augen schienen unbewegt; dann schnalzte er plötzlich mit den Fingern. »Jetzt fällt es mir ein. Es gibt einen jungen Mann, der Ihnen vielleicht helfen kann. Sein Name ist mir entfallen, aber ich kann in meinem Arbeitszimmer nachsehen, es dauert nur eine Minute. Warten Sie hier.«
    Er nahm ein Stück Papier vom Schreibtisch und ging hinaus. Holmes fuhr fort, ruhelos auf und ab zu gehen wie ein eingesperrtes Tier.
    »Man sehe sich diesen Raum nur an«, knurrte Shaw und wies mit einer Armbewegung auf den Plüsch um uns her. »Kostbar gebundene Bücher und alle möglichen Geräte! Die Medizin könnte, was Illusionen angeht, leicht mit dem Theater wetteifern, wenn sie wollte. Dienen alle diese Gegenstände wirklich dazu, den Patienten zu heilen, oder sind sie nichts als Kulissen, die ihn mit der Macht und Glorie des Schamanen beeindrucken sollen?«
    »Wenn ein Patient durch Illusionen geheilt wird, so ist auch das ein Erfolg«, protestierte ich, worauf Shaw mich mit einem sonderbaren Blick betrachtete. Ich muß auch hier wieder bekennen, daß die sarkastischen Bemerkungen dieses Menschen mich irritierten, aber Holmes, der den Austausch nicht wahrzunehmen schien, fuhr fort, den Raum zu durchqueren.
    »Wenn also«, fuhr Shaw fort, »ein Mann von der Pest befallen wird und zu seinem Doktor geht, dann ist Ihrer Meinung nach ein Zimmer voller Bücher und Instrumente wie dieses hier –«
    »Pest!« Holmes fuhr herum, mit zitternden Händen, das Gesicht totenbleich. »Pest«, wiederholte er in einem beinahe ehrfürchtigen Ton. »Damit haben wir es zu tun.«
    Niemals hatte ein einzelnes Wort solches Grauen in den Tiefen meiner Seele geweckt.
    »Pest?« wiederholte ich mit schwacher Stimme und unterdrückte ein Schaudern. »Wie können Sie das wissen?«
    »Watson, unschätzbarer Watson! Sie hielten den Schlüssel von Anfang an in den Händen! Entsinnen Sie sich der Zeile von Akt drei, Szene eins aus Romeo und Julia ? ›Die Pest auf beide Häuser!‹ Er meinte es wörtlich! Und was geschah, als die Pest nach London kam?«
    »Sie schlossen die Theater«, warf Shaw ein.
    »So ist es.«
    In diesem Moment ging die Tür auf, und Agar kam mit einem zusammengefalteten Stück Papier in der Hand zurück.
    »Hier ist der Name, den Sie brauchen«, teilte er dem Detektiv mit und hielt ihm das Papier hin.
    »Ich kenne den Namen bereits«, erwiderte Holmes und nahm es an sich. »Ah, Sie haben die Adresse hinzugefügt. Das ist von größtem Nutzen. Ah, es war die ganze Zeit vor meinen Augen, und ich war blind! Schnell, Watson!« Er stopfte das Papier in die Tasche. »Dr. Agar –«, er ergriff die Hand des erstaunten Arztes und schüttelte sie im Vorbeigehen –, »tausend Dank!« Er stürzte aus dem Zimmer und ließ uns nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
    Die Droschke wartete auf uns, wie angeordnet, und Holmes sprang hinein und brüllte dem Fahrer zu: »Dreiunddreißig Wyndham Place, Marylebone, und schnell!« Es gelang uns gerade noch, hinter ihm in das Fahrzeug zu klettern, bevor es mit hallendem Hufschlag durch das nächtliche London raste.
    »Die ganze Zeit, die ganze Zeit«, unaufhörlich intonierte Sherlock Holmes diese Litanei, während wir auf unserer schicksalsträchtigen Fahrt die verlassenen Straßen durcheilten. »Hat man das Unmögliche eliminiert, so ist der Rest, wenn auch noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit. Wenn ich nur dieser einfachen Maxime gefolgt wäre!« stöhnte er. »Watson, Sie sehen in mir den größten Narren des christlichen Abendlandes.«
    »Mir scheint, es handelt sich vielmehr um den gestörtesten Irren«, fiel Shaw ein. »Reißen Sie sich zusammen, Mann, und sagen Sie uns, was vorgeht.«
    Mein Freund lehnte sich vor, und seine grauen Augen blitzten wie Leuchtturmstrahlen im Dunkeln.
    »Das Wild, mein lieber Shaw! Das Wild ist aufgescheucht, und nie habe ich eine

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