Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
Infektionsherd darstellte, doch Ihr Organisationstalent wurde selbst mit dieser Unterlassungssünde spielend fertig. Durch Entführung oder gar Mord! Gnade Ihnen Gott, wenn Beth etwas zugestoßen ist!«
»Nicht schlecht für einen Engländer, Monsieur 'olmes!«, antwortete Brasseur höhnisch. »Sie haben in fast allen Punkten recht!«
Gar zu gern hätte ich mit einem kräftigen englischen Boxhieb das blasierte Grinsen aus seinem Gesicht gefegt.
»Nun«, antwortete Holmes, »der britische Gesandte wird gleich eintreffen, um sich der Sache anzunehmen.« Es klopfte heftig. »Ah, das dürfte er sein! Mit Ihrer Erlaubnis!« Holmes öffnete.
In der Tür erschienen jedoch keine britischen Diplomaten, sondern fünf Flics und ein Zivilist mit dünnem Bärtchen. Vermutlich hatte Brasseur sie noch herbeirufen können, bevor Holmes das Gespräch unterbrach. Ich begann, Telephone zu hassen!
»Colonel Beregovoy vom Deuxième Bureau«, stellte der Zivilist sich vor. »Sie sind alle festgenommen!«
Damit war unser Abenteuer im Grunde zu Ende. Ich verbrachte die Nacht allein in einer Gefängniszelle und tat aus Sorge um Beth kein Auge zu. In der Frühe wurde ich zum Bahnhof gebracht, in den Zug nach Cherbourg gesetzt und auf ein Fährschiff nach Poole verfrachtet. Ohne Fesseln, aber immer unter Bewachung. Es war entwürdigend!
Mein Freund traf vor mir in der Baker Street ein, denn man hatte ihn auf der direkteren Route via Le Havre nach Southampton geschafft. Von dort aus hatte er nach Whitehall depeschiert. Beth war bereits wohlbehalten einer Fähre in Folkstone entstiegen. So konnte eine höchst übellaunige Regierung in Gestalt von Sherlocks Bruder Mycroft sie und eine ältere Dame, ihre Großtante, in unser Wohnzimmer führen. Beide Frauen trugen Trauerkleidung.
»Eine Untersuchung durch unsere Spezialisten hat ergeben, dass Miss Harmon-Billings völlig gesund ist. Das Schicksal ihrer Mutter aber bleibt ungewiss.«
Die Tante legte die Arme um Beth, der die Tränen kamen. Dann wurde Mycroft ernst. »Ihr hättet beinahe gewaltigen diplomatischen Flurschaden angerichtet, messieurs !«, meinte er. Für ihn bedeuteten diese Worte fast schon einen Wutanfall. »Unser Botschafter verfehlte euch um nur zehn Minuten und kehrte auf der Suche nach euch das Unterste zuoberst, bis allerhöchste Stellen offiziellen Protest einlegten. War euch denn – Teufel noch eins! – nicht klar, dass sich das Deuxième Bureau einschalten würde, sobald erst einmal dieser Tirard Bescheid wusste? Nebenbei der Premierminister von Frankreich! Schließlich standen elementare Staatsinteressen auf dem Spiel!«
»Deshalb hat man uns wie gewöhnliche Kriminelle außer Landes geschafft?«, empörte ich mich.
»Das ist eben Politik«, erklärte Mycroft.
»Schlimmer!«, verbesserte Sherlock. »Das ist Ökonomie.«
Mycroft hob hilflos die Arme. Betreten blickten wir einander an. Beth weinte noch immer.
SHERLOCK HOLMES UND BUFFALO BILL
Ich stehe am Ende meines Lebens und habe weder Hoffnungen noch Illusionen noch weit reichende Gedanken. Ich bin allein. Meine Verachtung für die Dummheit der Menschen und mein Hass auf ihre erbarmungslose Grausamkeit haben ihren Gipfel erreicht, und jeden Augenblick sage ich zum Tod: »Wann immer du willst!« Worauf wartet er also? 20 Doch er scheint mich vergessen zu haben und überlässt mich lieber den schmerzlichen Erinnerungen an die schönen Jahre, die ich als Freund und Chronist von Sherlock Holmes in der Baker Street verbringen durfte.
Manchmal droht mich die Trauer über die Unwiederbringlichkeit jener Zeit zu übermannen. Dann fahre ich mit meinem Rollstuhl zu meinem Manuskriptschrank, lasse mich mühsam auf die Knie herunter und ziehe die unterste Schublade heraus. Obenauf liegt ein zerknautschter Cowboyhut mit einem Durchschuss, darunter, in ein weiches Tuch eingeschlagen und gut eingeölt, in einem ledernen Holster mit Gürtel ein Colt-Revolver, Kaliber 44, aus dem Jahre 1860. Er funktioniert nach dem Prinzip der Single Action. Man braucht nur den Hahn zu spannen, und schon kann man einmal schießen. Seit ich ihn zum Überholen zu einem Büchsenmacher brachte, weiß ich, wie wertvoll die Waffe ist. Die Augen des alten Mannes begannen zu funkeln, als er sie ehrfürchtig in die Hand nahm. »Ein echter Colt!«, murmelte er.
Geschenkt hat ihn uns ein sehr berühmter Klient. »Für besondere Verdienste«, wie er damals sagte. 21 Ein Päckchen Papierpatronen war auch dabei. Die Waffe ist etwas umständlich zu
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