Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
heute Morgen erkrankt. Ich bringe Medizin.
Welche Zimmernummer, sagten Sie, Mademoiselle?
342. Meine Mutter ist ...
Der Mann blätterte im Gästebuch. Verzeihen Sie, aber in Nummer 342 wohnt niemand namens Harmon-Billings. Nur eine Familie Genestas aus Rouen. Schon seit einer Woche. Sehen Sie selbst! Er hielt mir das Buch hin. Tatsächlich! Dort, wo meine Mutter und ich uns am Vortag eingetragen hatten, stand ein fremder Name.
Das kann nicht sein! , rief ich empört und rannte die Treppen hinauf in den dritten Stock.
Mademoiselle! , rief mir der Rezeptionist hinterher, aber ich war schon fast oben. Selbst der Page, der mir nacheilte, erreichte mich nicht mehr. Ganz außer Atem kam ich vor unserer Tür an. Ich holte tief Luft und klopfte.
Ein Herr im Morgenmantel öffnete mir. S'il-vous plaît, Mademoiselle?
Ich versuchte ihm zu erklären, wer ich war und was ich wollte. Ich glaube, er hielt mich für ein wenig verrückt, aber schließlich bat er mich herein. Ich solle mich selbst davon überzeugen, dass hier keine kranke Frau sei. Sie können sich gerne umsehen, Mademoiselle!
Es war unser Apartment, aber auch wieder nicht. Die Aussicht aus den Fenstern war dieselbe, aber die Vorhänge waren jetzt weinrot, auf der Tapete waren Lilien und wo das hochlehnige Sofa und der ovale Zitronenholztisch mit der vergoldeten Stutzuhr gestanden hatten, standen nun ein Tisch und vier Stühle in diesem kalten Empirestil. Die Zeit zeigte eine Standuhr an der Wand. Ich bedankte mich stotternd und verabschiedete mich.«
Sie hielt inne und schaute Holmes fragend an. Der erwiderte ihren Blick freundlich. »Für eine so junge Dame haben Sie eine erstaunlich hochauflösende Beobachtungsgabe, Miss Harmon-Billings. Fahren Sie ruhig fort!«
Sie errötete leicht und setzte ihren Bericht fort. »Der Rest ist rasch erzählt. Als ich wieder in der Hotelhalle ankam, wartete schon ein Flic auf mich, um mich hinauszuwerfen. Ich versuchte ihm zu erklären, warum ich gekommen sei, doch er schob mich einfach auf die Straße. Da hatte ich eine Idee. Meine Mutter ist entführt worden. Aus diesem Hotel! Ich erstatte Anzeige und ich will den britischen Botschafter sprechen. Sofort! Der Flic aber tat so, als verstehe er mich nicht und ließ mich einfach stehen. Wie ich einsam und verzweifelt durch die Straßen ging, ohne zu wissen, was ich tun und wohin ich gehen sollte, da sah ich in einer Zeitung einen Bericht über Sie, Mr. Holmes, kaufte mir die Zeitung und las den Bericht genau durch. Sie würden mir helfen, das spürte ich. Ich suchte mir einen Polizisten, der freundlich aussah, und bat ihn um Hilfe, aber nicht so, wie ich normal spreche.
Please, Monsieur le policeman , sagte ich halb Englisch, halb Französisch. I am la nièce du docteur Watson, l'ami du detective Sherlock Holmes from London. I have oublié the name of notre hotel and I ne pouver pas le retrouver. Please aidez-moi!
Der Polizist war très charmant . Er setzte mich in ein Café, bestellte mir eine Tasse Kaffee und beschwor mich, keinesfalls wegzulaufen, er gehe information holen. Restez-ici, mademoiselle. Stay 'ere, I'll be back, comprenez-vous? I'll 'elp! « Sie trug das so drollig vor, dass selbst mein Freund lachen musste.
»Wenig später wusste ich, wo Sie wohnen, und dann wartete ich auf Dr. Watson. Ich hoffe, Doktor, Sie verzeihen mir den Onkel !«
»Aber ich bitte Sie!«
»Ihr Fall entbehrt nicht der von mir so hochgeschätzten bizarren Aspekte, Miss Harmon-Billings. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Haben Sie übrigens schon gegessen?«
»Seit dem Frühstück nur etwas Kuchen in dem Café.«
Ohne auf weitere Anweisungen zu warten, klingelte ich und bestellte ein Abendbrot. Bis es serviert wurde, erkundigte sich Holmes nach weiteren Einzelheiten. So erfuhren wir, dass der Gatte von Lady Harmon-Billings, Colonel Llewellyn Harmon-Billings von den Royal East Indian Fusiliers im Vorjahr überraschend verstorben war. Nach dem Ende des Trauerjahres, das sie noch in Indien verbracht hatte, habe sie sich mit ihrer Tochter in Bombay nach Marseille eingeschifft, um weiter nach Paris zur Weltausstellung zu reisen. In Paris, wo sie erst am Vortage eingetroffen seien, habe sie eine Freundin aus ihrer Schweizer Internatszeit besuchen wollen. Daraus sei nun nichts geworden.
»Ich habe nicht einmal mehr einen Pass für die Heimreise nach England!«
»Vielleicht eine Entführung!«, vermutete ich.
»Sind Sie irgendwann bedroht worden? Könnte eine Lösegeldforderung
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