Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
Grund für unsere Anwesenheit.
»Ich hatte selber schon erwogen, mich an Sie oder einen Ihrer Kollegen zu wenden«, sagte Freddy, »denn auch mir wäre daran gelegen zu erfahren, wo Eliza ... was mit ihr geschehen ist. Ich muss allerdings um Diskretion bitten. Unsere Mutter ...« Er lächelte Lino zu. »... wäre von der Inanspruchnahme eines Detektivs nicht gerade begeistert. Und Eliza steht ebenfalls nicht allzu hoch in ihrer Gunst, obwohl sie von ihrer untadeligen Abkunft überzeugt ist. Mutter war allerdings zugegen, wie sich Eliza in Ascott ... etwas unziemlich aufführte.«
»Erzählen Sie bitte mehr davon.«
Holmes war ganz Ohr.
»Eliza besuchte das Rennen in Begleitung von diesem Sprachforscher, diesem Professor Higgins. Ich war vom ersten Augenblick, da ich sie sah, bezaubert. Sie war so niedlich. Und hatte so eine reizende, naive Ausdrucksweise. Ich konnte nicht anders, ich musste ihr meinen Wettschein schenken. Seltsamerweise war sie noch nie bei einem Rennen gewesen. Sie hatte keine Ahnung, was man mit so einem Schein anfängt, bis ich es ihr erklärte. Dann aber war sie Feuer und Flamme. Als Silver Blaze, der Favorit, auf den ich gesetzt hatte, etwas zurückfiel, geriet sie ganz aus dem Häuschen und sie rief ihm etwas zu.«
»Wörtlich?«
Da Freddy zögerte, antwortete sein Bruder. »Sie rief: Lauf jefälligst, du oller Kleppa, oder ick blas' dir Pfeffa in'n Arsch! «
»Originell!«
»Nicht wahr? Es war köstlich! Mutter dachte, sie hätte sich verhört. Sie können sich den Skandal vorstellen.«
»Ungefähr. Und was geschah dann?«
»Ich wollte Eliza trotzdem unbedingt wiedersehen. Da sie in Begleitung von Professor Higgins in Ascot gewesen war, fuhr ich mit meinem Velociped immer wieder durch die Straße, in der er wohnt. Eines Tages sah ich sie tatsächlich auf einmal aus der Tür treten und sie war ... sie war einfach da. Von da an kam ich fast jeden Tag, wenn meine Zeit es mir erlaubte, und wir unterhielten uns ein bisschen. Oh, ich kann Ihnen versichern, dass nichts Unziemliches geschehen ist zwischen uns, obwohl sie ... Obwohl sie sich das vielleicht gewünscht haben mochte. Sie war da manchmal sehr direkt. Wahrscheinlich sind die Mädchen in dem Land, aus dem sie kommt, nicht wie die jungen Engländerinnen. Nun ja. Higgins, ihr Herr und Meister ... ist etwas merkwürdig. Ich wusste nie, was ich von Elizas Verhältnis zu ihm halten sollte. Was sie sei, habe der Professor aus ihr gemacht, sagte Eliza. Sie sei nämlich nicht immer eine Lady gewesen, sondern – aber das habe ich nie geglaubt – ein Blumenmädchen. Stellen Sie sich vor! Eliza hat einen eigenartigen Humor. Ich glaube einfach, sie will nicht zugeben, dass sie Ausländerin ist. Wie auch immer, dieser Higgins, klagte sie, habe sie schmählich schlecht behandelt. Wie einen Gegenstand. Oft habe sie geweint über seine Grobheiten. Tausendmal habe er sie einen seltsamen Satz aufsagen lassen. Es grünt so grün, wenn irgendwelche Blüten blühn . Es muss die Hölle gewesen sein. Deshalb glaube ich auch, dass sie nicht von hier ist.«
»Dann hatte sie also jeden Grund, dem Professor davonzulaufen?«
»Jeden, Mr. Holmes! Nur der Freund des Professors, dieser Oberst, sei nett zu ihr gewesen, erzählte sie.«
Freddy Eynsford-Hill schwieg einem Moment.
Lino mischte sich ein. »Sag es ihm! Er erfährt es sowieso!«
Der Ältere nickte. »Also gut! Ja, ich hatte sie gebeten, meine Frau zu werden. Sie ist so ein reizendes Ding. Aber ich musste erst mit Mutter sprechen, habe das auch getan. Mutters Widerstand schwindet bereits und sie ist auch bereit, mit Vater zu reden. Nur ... Eliza dauerte das alles zu lange. Wart' nicht bis Mai!, verlangte sie. Tu's doch gleich! Aber in unserer gesellschaftlichen Position muss man gewisse Rücksichten nehmen, sich verloben, eine gewisse Verlobungszeit einhalten. Jetzt wohnt sie schon seit fast vier Wochen nicht mehr bei dem Professor und ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Mr. Holmes. Ich beschwöre Sie, finden Sie sie! Bringen Sie sie zurück! Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
»Dazu kommen wir später, Mr. Eynsford-Hill.« Holmes legte einen Moment lang den ausgestreckten Finger an die Lippen. Das machte er oft, wenn er sich die nächste Frage überlegte.
»Wann und wo haben Sie Eliza zum letzten Mal gesehen, wenn ich fragen darf?«
»Das dürfte eine Woche her sein. Zufällig. In der Stadt eilte sie an mir vorbei. Ich sprach sie an, aber sie wollte nicht mit mir reden, würdigte mich keines
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