Sherlock Holmes und Old Shatterhand (German Edition)
überzeugt, Mrs. Doolittle«, schaltete sich Holmes ein. »Aber eigentlich wollten wir wissen, wo sich die Tochter von Mr. Doolittle aufhält.«
»Was weeß denn ick, Mister. Sie schneite vor drei Tagen hier herein. Dieser vornehme Pinkel, dieser Professer, bei dem se wohnte, hat se rausjeschmissen. Oder se is' von selba abjehau'n. Wat weeß ick! Mein Alta hat se hier 'ne Nacht lang schlafen lassen, obwohl ick det nich' wollte. Se sprach jetzt wie eine foine Daame . Gar nicht mehr wie eene von uns hier. Se wollt' wieda als Blumenmädchen jehen, aber das jing nich'. So wie sie jötzt sprücht . Und da wo se früher jeaabetet hat, die ham 'ne andere jenommen. Da isse wieder weg! Und am nächsten Tag issa krank jewor'n. Wahrscheinlich hat die Kleene ihn anjesteckt!«
»Wohin sie ging, wissen Sie nicht?«
»Isse meine Tochter oder wat? Dem seine isse! Und jetzt kratzta ab, der alte Arsch!«
Sherlock Holmes zog einen Sovereign aus der Tasche. Sie grabschte ihn weg, barg ihn in der geschlossenen Faust und ließ diese in der Tasche ihrer vor Schmutz starrenden Schürze verschwinden. »Dank Ihnen, Mister. Et jibt doch noch wahre Christenmenschen, scheint's!«
»Wir wollen es hoffen! Sie wissen übrigens nicht, ob Eliza Freunde oder Bekannte hatte, zu denen Sie gegangen sein könnte? Eine beste Freundin aus früheren Tagen vielleicht? Nein?«
Mrs. Doolittle schüttelte nur fahrig den Kopf, sagte aber nichts. Wahrscheinlich dachte sie bereits an den Schnaps, den sie gleich kaufen gehen würde.
»Dann nicht! Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen!« Holmes verneigte sich, ich setzte meinen Hut wieder auf und wandte mich zur Tür. »Wenn Ihr Mann vielleicht den Beistand eines Geistlichen braucht ...«
»'n Pfaffe kommt mir nich' ins Haus!«, rief sie böse.
»Geben Sie Ihrem Mann zu trinken, das wird sein Los erleichtern«, riet ich.
»Ne, Chef, wenn et so schlimm is' wie Se sag'n, braucht er keenen Schnaps nich' mehr. Den trink' ick selber.«
»Wer spricht von Schnaps?«, empörte ich mich. »Wasser, vielleicht auch Tee, damit er wenigstens keinen Durst leidet.«
»Tee ham wa nich'. Wir ham noch nie Tee jetrunken!«
»Wie Sie meinen!« Ich gab es auf und machte, dass ich ins Freie kam. Alfred Doolittle war ohnehin nicht mehr zu retten. Wenn er nicht an der Infektionskrankheit starb, starb er an der Lieblosigkeit seiner Frau.
Draußen auf der Straße hielt mir Sherlock Holmes seine Taschenflasche hin. »Nehm' Se det, meen Freund, zur Dissinfeckzion .«
Ich musste fast lachen über die kleine Parodie. »Danke, Holmes!« Ich nahm einen tiefen, wärmenden Schluck. So schnell wie möglich musste ich mir die Hände waschen.
» Wahrscheinlich hat die Kleine ihn angesteckt! «, zitierte ich Mrs. Doolittle.
»Das ist das Problem. Sagen Sie, Doktor, die Inkubationszeit dieser scheußlichen Krankheit beträgt wie lange?«
»In besonders schweren Fällen drängt sich der Krankheitsverlauf bis zum Exitus auf zwei Tage zusammen.«
»Dann sollten wir uns beeilen, Watson! Natürlich hat sich Alfred Doolittle nicht bei Eliza angesteckt. Aber womöglich sie sich bei ihm!«
»Das wäre wirklich furchtbar!«
Freddy Eynsford-Hills Vater Sir Geoffrey hatte sich nach einer Karriere im diplomatischen Dienst in London zur Ruhe gesetzt. Sein Haus war voll von Mitbringseln aus den Ländern, in denen er unserer geliebten Königin bis zum Eintritt in den Ruhestand gedient hatte. Schirme und ein Spazierstock standen in einem präparierten Elefantenfuß, die Wände zierten Speere und Schilde aus der Südsee, und bis zur Decke reichten die Regale der Bibliothek, in die uns ein Butler geführt hatte. Dass in der Familie auch Sport getrieben wurde, zeigten mehrere Fahrräder vor der Eingangstür.
Freddy Eynsford-Hill war ein typischer Engländer: Hoch gewachsen, schlank und sportlich. Wie Mrs. Higgins gesagt hatte, wirkte er tatsächlich fast wie der jüngere Bruder meines Freundes. Freddy trat uns in weißer Tenniskleidung entgegen. Er hielt zwei Schläger in der Hand, die bereits wieder in einen Spannrahmen eingepasst waren, der ein Verziehen verhindern sollte. Mit ihm trat sein Spielpartner ein.
»Mein Bruder Lino ... Tavelin«, stellte er ihn vor. »Bitte, behalten Sie doch Platz!«
Wir dankten und setzten uns wieder auf den Regency-Zweisitzer. Die beiden jungen Männer zeigten sich hocherfreut, den berühmten Detektiv persönlich kennenzulernen. Sherlock Holmes erklärte nach ein paar höflichen Einleitungssätzen den
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