Sherlock von Schlotterfels 02 - Ein schauriger Geburtstag
Weg zum Gemälde hatte Sherlock gestoppt und lauschte mit verträumtem Blick der Rede.
„… so fand das Leben des Herold Freiherr von Schlotterfels sein gewaltsames und trauriges Ende“, schnappte Paula wieder ein paar Fetzen der Rede ihres Vaters auf. „Und nun bin ich sehr stolz darauf, das Bild zu enthüllen, das den Tag des Unglücks auf eindrucksvolle Weise dokumentiert. Es sollte ein Geburtstagsgeschenk für Herold werden, aber bedauerlicherweise konnte der Maler es erst nach seinem Tod vollenden. Und ich kann Ihnen sagen, wir haben alle gezittert, bis wir es heute Morgen in Empfang nehmen konnten.“
Dr. Kuckelkorn legte Max und Paula die Arme um die Schultern und gemeinsam gingen sie auf das Gemälde zu.
Mit jedem Schritt klopfte Paulas Herz schneller. Sie warf einen Blick zu Max hinüber. Der streckte ihr die flache Hand entgegen. Darauf lag der Rubin. Dann ließ er den Stein in seiner Hosentasche verschwinden.
Dr. Kuckelkorn griff nach dem Tuch und gab den Kindern ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Dann zog jeder an seinem Zipfel.
Das Tuch glitt vom Rahmen und zum Vorschein kam ein gigantisches Ölgemälde. Die Gäste applaudierten.
Max, Paula und Sherlock entdeckten ihn gleich: Ludwin Freiherr von Schlotterfels sah mit strengem Blick von seinem Platz am linken Rand des Bildes den Betrachter an.
„Da! Er trägt tatsächlich seinen Dolch!“, wisperte Sherlock hocherfreut. „Schau, Lilly, schau!“
„Aber ich sehe kein Loch in seinem Dolch“, flüsterte Paula Max zu. „Da fehlt kein einziger Rubin.“
Max trat einige Schritte zurück. Dann ging er wieder näher an das Gemälde heran. Seine Nasenspitze berührte fast die dick aufgetragene Ölfarbe. Seine Hand wanderte in die Hosentasche und schloss sich fest um den Rubin. Er setzte seine Brille ab und ließ die Schultern hängen.
„Wa-was …“, stammelte Sherlock und starrte ungläubig das Bild an. „Der Griff ist von oben bis unten mit Rubinen besetzt? Nicht einer fehlt? Wie kann das sein? Der Maler war ein Meister seines Fachs, nie wäre seinem Auge auch nur das kleinste Detail entgangen! Sapperlot noch eins!“
„Die Lösung liegt doch auf der Hand“, erwiderte Max mit matter Stimme. „Ludwin Freiherr von Schlotterfels ist unschuldig.“
„Aber der Rubin ist der einzige Hinweis, den wir haben“, protestierte Sherlock. „Er muss es gewesen sein! Sonst, sonst …“ Verzweifelt schaute er die Kinder an. „…sonst muss ich doch für immer und ewig ein Gespenst bleiben!“
In der Tat sah es für Sherlocks Erlösung vom Gespensterdasein im Augenblick nicht gut aus. Sherlock, der zu Lebzeiten ein erfolgloser Hobbydetektiv gewesen war, musste nun mal alle ungelösten Fälle seines Lebens aufklären, erst dann würden Lilly und er ihren Frieden finden.
„Das Büfett ist jetzt eröffnet!“, rief Dr. Kuckelkorn. Aber selbst wenn Max und Paula vorher Appetit gehabt hatten, war er ihnen jetzt vergangen.
Das verräterische Gemälde
Während die Gäste sich aufs Büfett stürzten, allen voran Oskar, standen Paula, Max, Sherlock und Lilly immer noch fassungslos vor dem Ölgemälde.
„Wartet mal!“ Paula tippte sich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn, ganz so, wie es sonst Max machte, wenn er einen Einfall hatte. „Und was ist, wenn etwas mit dem Gemälde nicht stimmt?“
„Habt ihr gar keinen Hunger?“ Dr. Kuckelkorn trat zu seinen Kindern und legte ihnen die Arme um die Schultern. Er strahlte vor Glück.
„Na ja …“, antwortete Paula unbestimmt.
„Herzlichen Glückwunsch zu der gelungenen Eröffnungsrede, Klaus!“, rief Kommissar Welkenrath schon von Weitem. Er reichte seinem Freund eines der beiden Sektgläser, die er in den Händen hielt, und prostete ihm zu: „Auf dich und auf das Schloss Schlotterfels. Die alten Schlotterfelsens hätten sich sicher auch über das schöne Fest gefreut!“
„Oh ja, das hätten sie! Und wie!“, schluchzte Sherlock und zückte wieder sein spitzenbesetztes Taschentuch.
Irritiert schauten sich Dr. Kuckelkorn und Kommissar Welkenrath um.
Kommissar Welkenrath schauderte. „Hier ist es aber verflucht kalt.“
„Herr Dr. Kuckelkorn, hier sind Sie!“ Herr Rademacher, der Restaurator, marschierte mit eiligen Schritten auf den frisch gebackenen Museumsdirektor zu. „Ich habe Sie schon überall gesucht. Heute Morgen war ja alles so hektisch. Da wollte ich Sie nicht behelligen. Aber hätten Sie jetzt wohl ein Minütchen Zeit für mich?“
Langsam wandte Paula den Kopf dem Restaurator
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