Sherry Thomas
dachte, mein Schweigen
hätte dir vielleicht verraten, was ich von deinem Vorschlag hielt.«
»Ich habe dir hunderttausend Pfund
angeboten!«
»Mein Vermögen dürfte sich auf das
Zwanzigfache belaufen. Doch selbst wenn ich keinen einzigen Sou besäße, würde
diese Summe nicht ausreichen, damit ich mich vor einen Richter Ihrer Majestät
stellte, um zu schwören, dass ich dich nie angerührt habe. Wir wissen doch
beide, dass wir es damals gemacht haben – als kleinen Abschiedsgruß.«
Sie zuckte zusammen, und ihr wurde
heiß. Leider nicht nur aus Wut. Die Erinnerung an jene Nacht – nein, sie durfte
jetzt nicht daran denken. Außerdem hatte sie sowieso längst alles vergessen.
»Du machst das doch noch immer wegen Theodora von Schweppenburg. Bestimmt
willst du mich weiter dafür bestrafen.«
Er bedachte sie mit einem kühlen Blick,
unter dem ihr früher die Knie gezittert hatten. »Wie kommst du nur auf eine
solche Idee?«
Was sollte sie darauf schon
antworten, ohne dabei ihre schwierige und hässliche Vergangenheit zu erwähnen?
»Bitte, wie du willst«, sagte sie so gleichmütig wie möglich. »Ich habe
eine Einladung heute Abend, die ich keinesfalls absagen werde. Gegen zehn
sollte ich wieder daheim sein. Eine halbe Stunde nach meiner Rückkehr hätte
ich dann eine Viertelstunde für dich.«
Er lachte auf. »So ungeduldig wie
stets, mein liebe Marchioness. Nein, heute werde ich dein Schlafzimmer nicht
besuchen. Ich bin müde von der Reise. Außerdem brauche ich ein paar Tage, um
über meine Abscheu hinwegzukommen, nachdem ich dich nun wiedergesehen habe.
Glaube übrigens bitte nicht, dass ich mich an irgendwelche idiotischen
Zeitvorgaben zu halten gedenke. Ich werde mich so lange in deinem Bett
aufhalten, wie es mir beliebt – keine Minute mehr oder weniger. Was du willst,
spielt dabei gar keine Rolle.«
Unerhört! Ihr blieb der Mund offen
stehen. »Das ist der lächer...«
Plötzlich beugte er sich vor und
legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen. »Wenn ich du wäre, würde ich den
Satz lieber unvollendet lassen. Sonst wird es dir später noch leidtun.«
Mit brennenden Lippen drehte sie
heftig den Kopf weg. »Selbst wenn du der letzte Mann auf der Welt wärst, würde
ich dich nicht in meinem Bett haben wollen – und dabei habe ich seit zwei
Wochen jeden Abend nichts als Spargel gegessen.«
»Sie zaubern überraschende Bilder in
meinen Kopf, teure Lady Tremaine. Beim letzten Mal erfreuten sich sämtliche
anderen Männer der Welt durchaus bester Gesundheit, und du hast dich auch ohne
jegliches Aphrodisiakum wie eine Tigerin gebärdet.« Er stellte sich gerade
hin. »Heute kann ich dich nicht länger ertragen. Ich wünsche einen angenehmen
Abend. Bitte richte deinem Liebhaber meine Grüße aus. Hoffentlich ist er mir
nicht gram dafür, dass ich meine ehelichen Rechte einfordere.«
Er ging, ohne sich noch einmal
umzuwenden.
Auch das tat er nicht zum ersten
Mal.
Lady Tremaine sah zu, wie sich die
Tür hinter ihrem Gemahl schloss, und verfluchte den Tag, an dem sie das erste
Mal seinen Namen gehört hatte.
Kapitel 2
Elf Jahre zuvor ...
Juli 1882, London
Die achtzehnjährige Gigi Rowland freute
sich diebisch. Hoffentlich sah man ihr das nicht an – andererseits und wenn
schon ... Was sollten die juwelenbedeckten und aufgeputzten Frauen hier in
Lady Beckwiths Salon schon groß sagen? Dass es ihr an Bescheidenheit fehlte?
Dass sie hart und arrogant wirkte? Dass sie ein reicher Emporkömmling war?
Am Anfang der Saison hatten sie ihr
noch eine Katastrophe vorhergesagt, weil sie ein Mädchen aus den falschen
Kreisen war, das angeblich kein Benehmen besaß. Und jetzt, kaum zwei Monate
später, war sie verlobt – mit einem Duke, der obendrein noch jung war und gut
aussah. Ihre Gnaden, die Duchess of Fairford. Das klang wunderbar in ihren
Ohren. Ja, einfach großartig.
Dieselben Frauen, die sie zuvor mit
Verachtung gestraft hatten, sahen sich jetzt gezwungen, ihr persönlich zu
gratulieren. Selbst der Hochzeitstermin stand schon fest – für den November,
genau nach ihrem Geburtstag. Und ja, sie war auch schon bei Madam Elise
gewesen, um Einzelheiten wegen des Hochzeitskleids zu besprechen. Gigi hatte
sich für luxuriöse cremefarbene Seide und eine drei Meter lange Schleppe aus
silbernem Moiré entschieden.
Angesichts ihres baldigen Eintritts
in den Adelsstand lehnte sie sich zufrieden im Sessel
zurück und klappte ihren Fächer auf, während unverlobte Debütantinnen sich
anschickten, die Damen mit
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