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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Leben wird sich morgen ändern.
     
    23
     
    Moskau, Dienstag, 10. April 2001,14 Uhr
    Es ist zwei Uhr, als Taras ins Büro von Oberst Karpow
gerufen wird. Erwartungsvoll eilt er los. Seine Schritte hallen laut und optimistisch
durch die leeren Korridore. Da niemand in der Nähe ist, pfeift Taras sogar
leise vor sich hin.
    Karpow begrüßt ihn nicht. Seine wässrigen Augen starren
Taras durchdringend an, seine dünnen Lippen sind zu einer noch dünneren Linie
zusammengekniffen. »Sie haben da einen sehr guten Bericht verfasst, Taras,
sehr detailliert, sehr gründlich.« Er hält inne und hustet, räuspert sich. »Nur
der Inhalt ist bedauerlich.« Taras begreift nicht. Er versucht in Karpows Blick
zu lesen, doch sein Chef schaut ihn gar nicht an.
    »Bevor wir über Ihren Bericht sprechen, Petrenko, würde
mich interessieren, was Sie dazu sagen.«
Er zieht eine der unteren Schubladen auf und legt Taras zwei Fotografien hin.
Taras' Gedanken verwirren sich zu einem dichten Knäuel: Wie konnte es mir
entgehen, dass mich jemand ... andererseits, bei diesen Menschenmassen ...
sind die mir nur in Kiew gefolgt oder die ganze Zeit? Wie viel weiß Karpow?
    »Nun?«, sagt Karpow nach einer langen Stille. »War es ein
nettes Rendezvous?«
    »Sie war nur eine Mitreisende«, antwortet Taras fest.
»Unsere Flüge hatten sich verspätet, und wir haben zusammen Kaffee getrunken.
Sie hat mir nicht mal ihren Namen genannt.« Das stimmte sogar. Sie war so in
Eile gewesen, dass sie ihm nur rasch ihre Telefonnummer hingekritzelt hatte.
    »Ich wusste nicht, dass Kaffeekränzchen mit zum
Operationsplan gehören«, bemerkt Karpow kalt. »Nehmen wir mal an, es sei wirklich
wahr. Dann können Sie mir vielleicht das hier
erklären?« Er legt Taras ein Papier hin und wartet.
     
    Zu den Themen, die zwischen dem ukrainischen Präsidenten
und dem britischen Premierminister zur Sprache kommen werden, gehört laut gut
informierten Quellen die Vorlage gewisser Dokumente, mit deren Hilfe das in
der Bank of England deponierte Kosakengold zum Nutzen der unabhängigen
ukrainischen Nation zurückgefordert werden kann.
     
    Zum zweiten Mal in seinem Leben hört Taras dieses
Geräusch. Das Zischen der Gefahr. Das erste Mal hat er es im Fernen Osten gehört,
zu Beginn seines zweiten Jahres bei der Armee. Sein Unteroffizier, Oleg, hatte
ihn zu der Expedition im Morgengrauen mitgenommen, um eine Tigerlilie zu
finden, eine orangerote Blume mit schwarzen Streifen, für die Ehefrau eines zu
Besuch weilenden Moskauer Generals. Die Einheimischen pflegten zu sagen, dass
man zum Auffinden der Tigerlilie durch drei Stadien der Hölle gehen müsse,
vorbei an drei Kreisen mit Schlangen. Taras konnte das kaum glauben. Umso
erstaunter war er, als Oleg ihn aufforderte, die gefettete Gummischürze, dicke
Gummihandschuhe und Gummistiefel anzulegen, die man bei der Division für den
Fall eines Nuklearangriffs bereithielt.
    Sie brachen in der Morgendämmerung auf. Taras schwelgte im
Anblick der mit pupurnen Blumenteppichen bedeckten Berge, als er plötzlich ein
seltsames Pfeifen vernahm; er fühlte es mehr, als dass er es hörte. Er sah, wie
Oleg auf ein hellbraunes Band einschlug. Und noch eins. Und noch eins. Erst
als das Geräusch verstummte, sah Taras, dass es sich um Schlangen handelte.
»Der erste Kreis wäre erledigt«, sagte Oleg mit munterem Lächeln. »Jetzt kommt
der zweite.«
    Taras leckte sich die trockenen Lippen.
    Die Schlangen im zweiten Kreis waren größer, dunkler, ihre
todbringenden Bewegungen viel anmutiger.
    An den dritten Kreis erinnert Taras sich nur allzu gut. Er
hat oft lebhaft davon geträumt. Als sie, oben auf dem Berggipfel, die
orangerote flammende Lilie schon fast erreicht hatten, sah er sie. Sie war
schön. Ihre grüne Samthaut mit den schwarzen Flecken glänzte in den ersten
Sonnenstrahlen. Majestätisch beobachtete sie die sich nähernden Menschen. Es
war ihr Reich und ihr Schatz, und sie würde sich nicht kampflos geschlagen
geben. Ihr einsames Zischen klang laut und deutlich durch die Morgenluft.
»Jetzt wird's lustig«, sagte Oleg und zwinkerte dem mittlerweile blass
gewordenen Taras zu. Eine Sekunde später wand sich die Königin der Schlangen am
Haken und versuchte, die Menschen mit ihrem tödlichen Fluch zu bespeien.
    »Pflück die Blume!«, befahl Oleg. Taras regte sich nicht.
»Verdammt noch mal, pflück die Lilie, Taras!« Diesmal kein Zwinkern, kein
Lächeln. Oleg verlangte, dass Taras sofort handelte. Langsam schnitt Taras

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