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Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
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Da
wären zuerst einmal die Indizes der British Record Society und der Society of
Genealogists. Wir haben auch Bücher über das Nachlass- und Testamentsregister.«
    »Und wie lautet die schlechte Nachricht?« Kate gibt sich
Mühe, nicht allzu entmutigt zu klingen.
    Jetzt rächt sich der Bibliothekar für die Störung. »Alle
Dokumente bis zum Jahr 1733 wurden von Urkundsbeamten auf Latein verfasst,
desgleichen die Erläuterungen am Ende des Testaments. Die Originaltestamente
wurden meist auf Englisch oder Latein verfasst. Wie gut ist Ihr Latein, Miss
... ?«
    »Kate, bitte.« Sie will ihm die Mühe mit ihrem Nachnamen
ersparen und versucht es auf direkterem Weg: »Haben Sie aus jener Zeit
zufällig ein Handbuch, das sich mit der Erstellung von Testamenten oder dem
Erbschaftsrecht befasst? Lieber auf Englisch als auf Latein, bitte.« Zum ersten
Mal bereut sie, dass sie die Lateinseminare und Vorlesungen zur
Rechtsgeschichte meistens geschwänzt hat, um ihr Hirn nicht mit Wissen zu
befrachten, das sie damals für nutzlosen Ballast hielt.
    Der Bibliothekar entschwindet in sein staubiges Universum.
Drei Minuten später taucht er mit einem dicken Wälzer wieder auf. »Das könnte
von Interesse für Sie sein.« Sein Interesse an Kate hingegen ist schon fast
wieder erloschen. »Sie können es dort drüben lesen.« Er zeigt auf eine grüne
Lampe, die auf einem massiven geschnitzten Tisch steht, und widmet sich wieder
seiner anstrengenden Beschäftigung, aus dem Fenster zu starren. Kate wirft
einen Blick auf den Titel. Ein Traktat über Letztwillige Verfügungen
und Testamente. Erschienen 1734. Das rotbraune Leder des Einbands
riecht nach getrockneten Pilzen. Der geprägte Löwe auf dem königlichen Wappen
scheint erleichtert, durch einen Schild vom zweiten Wappentier, einem grimmig
blickenden Einhorn, getrennt zu sein. Mit einem anzüglichen Grinsen scheint er
Kate aufzufordern, doch bitte mal ihre Lateinkenntnisse unter Beweis zu
stellen. Das Papier wirkt, als hätte es sich mit Windpocken oder irgendeinem
ansteckenden Ausschlag infiziert - fast jede Buchseite ist mit ölig braunen
Flecken übersät. Flecken von heißem Wachs?, überlegt Kate. Sie weiß den Luxus
der Elektrizität zu schätzen, zieht die grüne Lampe näher heran und liest den
ersten Absatz:
     
    Den Schülern, die sich der Kenntnis der lateinischen
Sprache befleißigen, sei es darum genug, dass die Marginalien, so in Sonderheit
für ihre Studien geeignet, in lateinischer Sprache gegeben wurden. Indes das
Übrige freilich für die Allgemeinheit bestimmt ist, ziemt es sich, solches in
einer Sprache abzufassen, die ein jeder zu verstehen vermag.
     
    Dank dir, großer Gelehrter, dass du für uns Unwissende
gesorgt hast!, denkt Kate. Aber ob ich mit ihr klarkomme, mit jener Sprache,
die ein jeder zu verstehen vermag?
    Zehn Minuten - sieben Seiten - später fällt ihr wieder
ein, was sie eigentlich dazu bewogen hat, Anwältin zu werden. Zögernd hebt sich
der Vorhang der verschnörkelten Phrasen mit den seltsamen Endungen - so das
halb durchgestrichene f statt s. Die Abhandlung reizt sie, lädt sie ein in
eine Welt voller Leidenschaft, Ehrgeiz, Gier. Ein Sittenstück, an dem Moliere
gewiss Gefallen gefunden hätte.
    Ein gewisser Mr Smith war nicht gewillt, seinem Sohn,
sofern dieser keine angemessene Ausbildung absolvierte, all das Laubwerk
(»Wälder«, vermutet Kate) zu hinterlassen. Entweder interessierte sich der Sohn
nicht für Forstwissenschaft, oder er war einfach zu dumm - jedenfalls besuchte
er die Universität nicht und begnügte sich mit den Feldern. Wahrscheinlich
besaß er ohnehin genug Land.
    Die Familie Jacobs akzeptierte eine schwangere Magd als
Zeugin, die hinter dem Wandschirm stand, während der Letzte Wille diktiert
wurde. Ein hübsches Mädchen, das ins spitzenbesetzte engageant ihres
Ärmels schluchzte. Er hätte sie geheiratet, er hatte ihr alle Schätze auf Erden
versprochen. Immerhin war er der älteste Sohn und hätte den ganzen Besitz
geerbt. Stattdessen kam er unter die Erde und hinterließ ihr und dem noch
ungeborenen Kind eine jährliche Pension auf Lebenszeit.
    »Wenn an Ostern die Sonne aufgeht«; »wenn der König von
Spanien dieses Jahr das Zeitliche segnet« - was waren die Motive dieser
Menschen, die ihrem Letzten Willen solche Bedingungen beifügten ?
    Fast hätte Kate einen Abschnitt über Soldatentestamente
übersprungen, doch da fällt ihr plötzlich das Wort »fremdländisch« ins Auge.
     
    Ein fremdländischer Soldat

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