Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shevchenko, A.K.

Shevchenko, A.K.

Titel: Shevchenko, A.K. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein fatales Erbe
Vom Netzwerk:
hält eine Antwort
parat: »Das klingt faszinierend, aber mir geht es nur um die Register, die die
Einzahlungen betreffen. Es könnte sich auch um Goldbarren handeln.«
    Jolly Roger nickt, gibt aber nicht auf. »Natürlich. Laut
Satzung der Bank war der Gold- und Silberhandel bereits ab Februar 1695
möglich, und ab 1700 lagerte die Bank of England jegliches importierte Gold
oder Silber ein, sofern der Frachtbrief hinterlegt wurde. Der Ort, an dem die
Goldbarren gelagert wurden, hieß >the Warehouse<, und der
erste Gold- und Silberhändler wurde im Jahr ...« Kate fragt sich, wie viele
junge Männer mit solch enzyklopädischem Wissen über das 18. Jahrhundert ihr
während ihrer Recherche wohl noch begegnen werden, und unterbricht ihn
resolut: »Nur das Kontokorrentbuch, bitte.«
    Roger seufzt und beendet seine Tour: »Bitte füllen Sie das
Formular aus. Der Code für die Kontokorrentbücher im Ausgaberaum ist C98. Sie
können in fünf Tagen wiederkommen.« Dieser missvergnügte Seemann, mit seinem
Ballast an zu selten gefragtem Wissen, ist wahrlich kein Popeye.
    Während der nächsten fünf Tage steckt Kate ununterbrochen
das Kontokorrentbuch im Hinterkopf. Vielleicht sogar direkt hinter der Stirn,
denn sowohl Philip als auch Carol haben ein paar neue Sorgenfalten an ihr
entdeckt. Zum Glück fiel beiden eine Erklärung dafür ein - Carol hat die
Kummerfalten Kates Arbeitspensum zugeschrieben und Philip seiner
bevorstehenden Abreise nach New York. »Ist ja nur für drei Monate, Liebling«,
hat er gemeint. »Reg dich bitte nicht so auf. In zwei Wochen sehen wir uns sowieso
- ich hab schon ein Ticket für dich gebucht. Denk mal an den Urlaub, den wir
machen können, wenn es mit meiner Beförderung klappt...«
     
    Als Kate wiederkommt, erwartet die Urlaubsreifenfrau sie
schon in der Eingangshalle. Sie nickt Kate zu, marschiert voran und durchmisst
energisch den Korridor, als wären ihre Beine die Schenkel eines Zirkels, den
sie immer wieder in den Boden einsticht.
    Armer Roger! Kein Wunder, dass er auf das Gespräch mit
Kate so scharf war - der Seemann segelt hier nicht immer nur in ruhigen
Gewässern. Eingeschüchtert durch die Anwesenheit seiner Chefin, wagt er es
kaum, Kate zu begrüßen, als er das schwere Kontokorrentbuch vor sie auf den
Tisch wuchtet.
    Sie studiert es noch intensiver als neulich das Traktat
über Testamente. Die vertrauten vornehmen Namen überwältigen sie, manche der
Anweisungen verwirren sie - und ersuche um Lieferung einiger Schreibfedern, da
die Bank über bessere Federn verfügt als mein Haushalt« -, und sie bemerkt,
dass die Worte erhalten, entfernt, geliefert von Seite
zu Seite mehr werden. Zwei Stunden später wendet sie die letzte Seite um -
etwas zu hastig, denn diese Geste drückt ihre ganze Frustration aus. Sie hat
nichts gefunden.
    Jemand hüstelt höflich neben ihrem linken Ohr. Als Kate
den Kopf hebt, ragt Jolly Roger vor ihr auf. Er legt zwei schwere Wälzer auf
den Tisch und schiebt sie zu ihr hin.
    »Wie ich bereits sagte«, setzt er an und wiederholt: »Wie
ich bereits sagte ...«, und hält verlegen inne.
    Kate empfindet plötzlich Mitleid mit ihm und zieht die
dicken Wälzer näher zu sich heran. »Danke, Roger.«
    »Wie ich bereits sagte, besitzen wir nur sehr wenige Bände
aus jener Epoche, die für Ihre Recherche relevant wären«, bringt er schließlich
heraus. Ermutigt fährt er fort: »Sie erwähnten, dass die Einlage in Gold
erfolgte, deshalb habe ich Ihnen eins unserer frühen Barrenbücher mitgebracht
und ein weiteres Kontokorrentbuch für den Zeitraum, für den Sie sich
interessieren. Zwar«, gesteht er, »befindet sich das Testamentsregister jetzt
in der Genealogischen Gesellschaft, doch ein paar Auszüge kann man auf der
Rückseite dieses Kontokorrentbuchs finden, datiert von 1710 bis 1736. Dies sind
unschätzbare Quellen für Forscher, weil hier alle gesellschaftlichen Schichten
versammelt sind - Händler, Diener, Fremde. Wichtig ist, zu erwähnen, dass der
Wert der Einlagen oft recht niedrig ist. Oder außergewöhnlich hoch. Wenn man
sich zum Beispiel Seite 5 anschaut ...«
    »Danke, Roger, ich werde mir die Seite 5 unbedingt
anschauen«, unterbricht Kate. Sie ist sich in ihrem Leben noch nie so unhöflich
vorgekommen, aber anders kann sie Rogers Vortrag nicht entrinnen.
Widerstrebend schlägt sie die Seite 5 auf - eigentlich nur, um den aufgeregten
Archivar zu beschwichtigen - und schnappt nach Luft, als hätte sie gerade im
Lotto gewonnen, obwohl sie gar kein

Weitere Kostenlose Bücher