Shevchenko, A.K.
Satzenden, wie im
Spanischen. Der Botschafter zappelt mit den tauben Zehen und wartet auf das
»Aber«. Es bleibt aus.
»Letztes Jahr im März habe ich ein paar Zeitungen aus
Buenos Aires erhalten und vor Freude aufgeschrien«, fährt Grygorij fort. Der
Botschafter mustert die tiefen Falten seines Gegenübers, rund um die Augen
eingegraben wie Risse im Erdboden während der Dürrezeit, und stellt sich vor,
dass die salzigen Tränen darin versickern, bevor sie die Wangen erreichen.
»Am 21. März 1921 war der
argentinische Präsident der Erste in Lateinamerika, der die Ukraine offiziell
als unabhängigen Staat anerkannt hat. Wir alle warten nun darauf, dass der
erste ukrainische Botschafter in Buenos Aires eintrifft«, fährt der Ladenbesitzer
fort.
»Da kannst du lange warten, du Dummkopf, weil Argentinien
den falschen Staat anerkannt hat. Nicht die Ukrainische Sozialistische
Sowjetrepublik, sondern die Regierung der Ukrainischen Volksrepublik, die
jetzt illegal und ins Exil gegangen ist. Habt ihr dafür den Ozean überquert?«
All dies liegt dem Botschafter auf der Zunge, aber er beschließt zu schweigen,
um seinen rauen Hals zu schonen. Er nickt Grygorij zu, hustet und stößt bellend
hervor: »Ich werde unsere Regierung über den Erfolg der Ukrainer in Argentinien
in Kenntnis setzen. Ich bin sicher, dass dies helfen würde, die künftigen
Beziehungen zwischen beiden Ländern zu stärken.«
»Danke. Ich glaube, ich könnte etwas tun, um der
unabhängigen Ukraine zu helfen«, sagt der Besucher. »Die Sache ist von staatswichtiger Bedeutung und ziemlich dringend, und deshalb habe ich beschlossen,
unverzüglich mit Ihnen zu sprechen.« Jetzt kommt's, denkt der Botschafter.
Wetten, dass er zurück will? Ich hatte recht, wie immer.
»Wie bereits erwähnt, kam meine Familie 1897 nach Argentinien«,
fährt Polubotok fort. »Ich war noch ein Kind, kann mich aber gut an die Reise
erinnern - erst nach Frankreich, dann die lange, beschwerliche Überquerung des
Ozeans. Man hatte uns Land versprochen, aber niemand hatte uns gesagt, was uns
in Patagonien erwartete, niemand hatte uns eine Vorstellung von den
Entfernungen vermittelt. Ich weiß noch, dass ich vor zehn Jahren eine
Pferdekutsche brauchte, um quer durchs Land nach Buenos Aires zu fahren, und
dass sich die Reise damals ewig hinzog! Zum Glück haben wir jetzt in Posadas
die Eisenbahn. Jedenfalls bin ich zurückgekehrt, weil ich einen Vertreter der
Ukrainisch-Katholischen Kirche treffen wollte, um über unsere Jugendlichen zu
reden. Wenn sie erwachsen sind, ziehen sie in die großen Städte, vergessen
ihre Sprache und ihre Wurzeln ...«
Der Botschafter verliert allmählich die Geduld. Dieser
Ladenbesitzer mag in seinem Dschungel alle Zeit der Welt besitzen, aber er,
der Botschafter, ist ein vielbeschäftigter Mann. Außerdem ist er müde.
»Können Sie bitte beim Thema bleiben, Towarischtsch Polubotok.« Er beweist seine Autorität, indem er den Besucher
demonstrativ »Genosse« nennt.
Grygorij spricht schneller, reiht ukrainische und
spanische Wörter aneinander. Selbst für einen so sprachkundigen Mann wie den Botschafter
wird es schwierig, ihm zu folgen.
Er steht auf. »Tut mir leid, Genosse Polubotok. Ich habe
noch eine Besprechung.«
Die bittende Miene des Bauern wird streng. »Wie ich schon
sagte, ist es eine Sache von staatswichtiger Bedeutung.
Ich bin im Besitz eines Dokuments, das einer unabhängigen Ukraine eine Summe
von ...«
Die drei Stunden in der klirrenden Kälte haben offenbar
mein Gehör in Mitleidenschaft gezogen, denkt der Botschafter und bittet
Grygorij, die Zahl zu wiederholen.
Die Hand des Ladenbesitzers bewegt sich steif vom
Jackenknopf zur Tasche. Er zieht ein Stück Papier heraus, vierfach gefaltet,
und reicht es dem Botschafter. Dann tritt er vom Tisch zurück, lässt seinen
Jackenknopf nun aber in Ruhe und steckt die Hände lieber in die Taschen.
Der Botschafter bemerkt, dass Grygorij seine Hände
bedächtig zu Fäusten ballt, bevor er sie im Jackenfutter versenkt. Er bewahrt
sein Handwerkszeug in Stoff auf, denkt der Botschafter scherzhaft, als er den
eng beschriebenen Bogen entfaltet. Er liest das Gekritzel mehrere Male, und
sein Gesicht spiegelt die verschiedensten Emotionen wider: Überraschung,
Konzentration, Anerkennung. Er zieht die Augenbrauen hoch. Spitzt die Lippen.
Wie ein Schauspieler, der vor der Aufführung griechische Masken aufprobiert.
Der Ton des Besuchers ist gemessen; er besitzt das Selbstvertrauen
Weitere Kostenlose Bücher