Shevchenko, A.K.
Los gekauft hat.
Die halbe Seite füllt mit großen Kringeln das Wort Memorandum, darunter stehen - unterstrichen und in geringerer Schriftgröße - die
Worte Ausländische Golddepots . Kate lobpreist die kalligraphischen
Fähigkeiten der Person, die diese Worte niedergeschrieben hat: Es sind die
wichtigsten Worte, die sie bislang im Rahmen dieses Falls gelesen hat:
Anno Domini 1723
Memorandum. Dass Oberst Pawlo Polubotok aus Tschernihiw,
Schatzmeister der kosakischen Armee, sich im Be... (wie heißt das nächste Wort?
»Im Beisein von« ? Ah, » im Besitz von«) dreißigtausendsechshundertundeinem
Pfund, achtzehn Schillingen und drei Pence befindet, einbezahlt als Vermögen in
acht Fässern Gold, deponiert im Foreign Warehouse. Eingerichtet aufgrund eines
Parlamentsbeschlusses aus dem vierten Jahr der Regentschaft Seiner Majestät
König Georgs und verbunden mit Annuitäten von vier Prozent. ... kraft seines
letzten Willens und Testaments, datiert in Tschernihiw am vierundzwanzigsten
Tag des Januar im Jahr des Herrn eintausendsiebenhundertdreiundzwanzig, benennt
Oberst Polubotok ... seinen Sohn Jakiw Polubotok und dessen Rechtsnachfolger
als Vermächtnisnehmer ... denen in besagtem Testament ein besonderes Legat aus
obenerwähntem Vermögen zufällt... beglaubigt an diesem Mittag im Juli Anno
Domini 1723.
Darunter hat jemand mit derselben kalligraphischen
Perfektion und Begeisterung den Wortlaut des Testaments geschrieben:
Mein letzter Wille ist, dass keiner der Vermächtnisnehmer
für die in diesem Testament vermachte Hinterlassenschaft oder
Hinterlassenschaften Zinsgeld erhält oder beansprucht bis zu dem Zeitpunkt, da
die Ukraine unabhängig sein wird. Ferner ist mein letzter Wille, dass es sodann
in der Macht derer liegen soll, die mein Testament vollstrecken und mich
überleben, oder in der Macht derer, die wiederum selbige überleben, die gesamte
Summe zu empfangen. Doch um noch größerer Sicherheit willen scheint es mir
geraten, die Meinung des Bankvorstands einzuholen hinsichtlich der Verwendung
des Hauptfonds ...
Kate liest den Wortlaut ein zweites Mal und blickt dann so
bewundernd zu Roger auf, dass er unter seinem buschigen Seemannsbart errötet.
»Danke, Roger! Sehr interessant!« Sie versucht ihre
Erregung zu verbergen. »Ich denke, ich sollte jetzt mal dieses Kontokorrentbuch
durchsehen.« Sie öffnet den zweiten Band und findet, da sie mit Recherche
einige Erfahrung hat, die Aufzeichnungen für Juli, Anno
Domini 1723 binnen weniger Minuten. Der Band enthält Aufzeichnungen
über spanische und russische Münzen, französische 20-Franc-Goldmünzen, die »den
Cassirern eingehändigt wurden«; »ausländische Goldbarren, erhalten vom Foreign
Warehouse«. Manche der Aufzeichnungen tragen richtige Unterschriften, die
anderen verschlungene Initialen.
Als sie schließlich gefunden hat, was sie sucht, lacht sie
vor sich hin, als hätte sie soeben erfahren, dass sich ihr Lottogewinn auch
noch verdoppelt hat.
Bei Mr Clark, dem Schatzmeister, wurden bis auf weiteres
acht Fässer Gold deponiert. Und dies sei Eure Gewähr.
Die Signatur ist zwar ordentlich ausgeführt, aber nicht zu
entziffern. Ein fremdes Alphabet, auch etwas, das sie hätte lernen können,
aber nie gelernt hat. Sie schreibt alles ab, was auf dem Blatt steht, und
kopiert sorgfältig sämtliche Häkchen und Kringel der Unterschrift.
Kate kann es kaum erwarten, Andrij von ihrem Fund zu
berichten, ihn in der italienischen Sandwich-Bar an der U-Bahn zu treffen.
Überrascht merkt sie, dass sie am Telefon bereits von »unserem üblichen
Treffpunkt« spricht, obwohl sie sich doch erst zweimal dort getroffen haben.
Seine Reaktion verblüfft sie. Denn er zeigt nicht die
geringste Reaktion. Als habe er das schon die ganze Zeit gewusst, als habe er
den Text schon einmal gesehen. Als habe Kate den Vormittag nur zu ihrem eigenen
Vergnügen in der staubgeschwängerten Luft des Archivs verbracht.
Er bestätigt nur die Unterschrift und fragt aufgeregt:
»Also, wann kann man das Geld einfordern?«
Kate ist so verärgert, dass sie sich einen Moment lang in
Carol verwandelt - sie spricht schroff, effizient, unpersönlich. Sie wird ihn
mit ihrem Wissen überwältigen, ihn mit juristischen Fachausdrücken verwirren.
Er wird kein Wort kapieren und sie reumütig um Aufklärung bitten. Und sie wird
sich gnädig dazu herablassen. Vielleicht.
»Ein Erbe einzufordern ist nicht so einfach«, beginnt sie
in ärgerlichem Ton. »Laut
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