Sheylah und die Zwillingsschluessel
Gebäck und Kuchen serviert und noch mehr Wein. Sie tranken so viel, dass Sheylah allein beim Zusehen schlecht wurde. Ganze Weinfässer wurden in den Saal gerollt und Krug um Krug ausgeschenkt. Sie beobachtete, wie Djego sich ebenfalls an ein paar Krügen erfreute, nur Andrey trank nicht. Er brachte sich selten in die Tischgespräche ein, sondern hörte nur zu oder schaute gedankenverloren in die Ferne. Was er wohl dachte? Im Laufe des Abends fand sie heraus, dass Andrey Torga erst am Morgen erreicht hatte, weil er schwerverletzt gewesen war. Sheylah hatte Djego gefährliche Blicke zugeworfen, weil er seinen totgeglaubten Freund einfach so zurückgelassen hatte, ohne sich wirklich davon überzeugt zu haben. Doch Andrey hatte ihn sogar verteidigt und gesagt, das verstehe sie nicht. Hallo? Was sollte es da zu verstehen geben? Am Abend wurde das von Neela angekündigte Festmahl serviert. Sheylah sah sie ab und zu mit ein paar anderen Dienstmädchen das Essen servieren. Sie zwinkerte Sheylah jedes Mal unauffällig zu, was diese zum Lächeln brachte.
Dann verschwand sie jedoch wieder, um Nachschub zu holen. Es gab eine enorme Auswahl an Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse, Brot und Käse, ach ja, und Wein. Sheylah unterhielt sich fast ausschließlich mit dem Grafen. Er erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden und wollte alles über ihre Welt wissen, bei Fragen zu Zizilia und Alice blockte er jedoch ab. Sie würde zu gegebener Zeit alles erfahren. Die andauernde Geheimniskrämerei ging ihr allmählich auf die Nerven. Sie sollte den Torgern, so nannten sich die Stadtbewohner, doch helfen, oder? Das konnte sie nicht, wenn die wichtigsten Dinge vor ihr verheimlicht wurden. Spät am Abend, als alle Beteiligten schon ziemlich angeheitert waren, bekam Sheylah die Möglichkeit, ein kurzes Gespräch mit Aros zu führen. Er war ihr von allen der Sympathischste. Es stellte sich heraus, dass er Hüter der Geheimnisse des alten Königreiches war und Andrey sein treuster Mann. Die Festlichkeiten gingen immer weiter und wollten einfach kein Ende nehmen und als Sheylah einfach nicht mehr stillsitzen konnte, zog sie sich, mit dem Vorwand, Kopfschmerzen zu haben, zurück. Ihre Knochen protestierten, als sie sich aus ihrem Sitz erheben wollte und das war ja auch kein Wunder. Seit dem Vormittag hatte sie auf ein und derselben Stelle gesessen. Als sie die Tür des Saals hinter sich schloss, rauschte es in ihren Ohren. Ihr Kopf dröhnte und sie war todmüde, aber sie wollte unbedingt noch Neela besuchen. Sie vermutete sie in der Küche und machte sich auf den Weg. Bloß wohin? Vor ihr lagen neun identische Türen. Sie wanderte ziellos im Schloss herum und vergaß irgendwann völlig die Zeit. Es war aufregend, all die verborgenen Türen und Gänge zu erkunden, so aufregend, dass sie sogar ihre Müdigkeit vergaß. Irgendwann hörte sie ein Geräusch, das sehr weit entfernt war. Sie wusste, dass ihr Gehör besser als das eines normalen Menschen war, nur wusste sie mit dieser neuen Fähigkeit nicht umzugehen. Das Geräusch konnte von überall herkommen. Sie konzentrierte sich und schloss die Augen. Sie war noch damit beschäftigt, das Geräusch einzuordnen, als sie es wieder hörte. Ein schabender kratzender Laut, das von irgendwo unter ihr kam. Sie irrte weiter im Schloss umher und suchte nach Treppen, die abwärts führten. Als Sheylah die zweite Treppe hinabgestiegen war, wurde das Geräusch lauter, dann landete sie in einem langen dunklen Gang. Zu beiden Seiten reihten sich zahllose Türen, die mittlere stand offen. Das musste die Küche sein. Auf Zehenspitzen schlich Sheylah sich heran und fragte sich gleichzeitig, warum man im Mittelalter die Küchen soweit vom Speisesaal entfernt gebaut hatte. Kein Wunder, dass das Essen immer lauwarm serviert wurde! Wenige Zentimeter neben der Tür blieb sie stehen und lauschte. Stoff raschelte. Ganz vorsichtig lehnte sich Sheylah nach vorn und schielte in den Raum. Und dann die Überraschung: Neela war in der Küche, in der sich dreckiger Abwasch und Essensreste stapelten, doch sie machte nicht sauber. Sie hockte auf dem Boden und schaute auf das Katzenwesen, von dem Sheylah gedacht hatte, sie würde es nie wieder sehen. Sheylah war so überrascht, dass sie ihre Tarnung aufgab und in die Tür trat. Neela war keineswegs erschrocken, sondern blickte lachend zu ihr auf. „Was ist so lustig?“, wollte Sheylah wissen und trat in die Küche, ohne das Wesen aus den Augen zu lassen. „Ach, wir haben uns bloß
Weitere Kostenlose Bücher