Sheylah und die Zwillingsschluessel
arbeitest du getarnt in der Küche des Grafen?“ Neela biss sich auf die Unterlippe. Sheylah verstand sofort und wurde wütend. „Oh nein, das beantwortest du mir jetzt!“ Neela hob abwehrend die Hände. „Ich kann dir nur so viel verraten: Ich wurde beauftragt, dich zu beobachten und zu beschützen.“ „Von wem?“ Neela schüttelte den Kopf und senkte ihn, sie wirkte betroffen. „Sheylah, ich bin durch Eide verpflichtet, nichts zu sagen, was dir schaden könnte. Selbst wenn ich es wollte, ich darf dir die Wahrheit nicht verraten.“ „Wieso nicht?“, fragte Sheylah und schüttelte Neela an den Schultern. „Es ist nur zu deinem Schutz, glaub mir.“ Sheylah ließ sie los.
„Diesen Satz habe ich in den letzten Tagen oft gehört.“ Neela ging nicht weiter darauf ein, sondern nahm sie bei der Hand. „Komm, ich bringe dich in deine Gemächer. Du musst morgen ausgeruht sein, denn du wirst einiges erfahren.“ Sheylah stolperte hinter ihr her. „Du meinst über meine Familie und über Torga?“ Neela drehte sich zu ihr um und nickte eifrig. Dann kommen wir der Wahrheit immerhin ein Stück näher, dachte Sheylah. Sie freute sich schon darauf. „Was ist mit Raqui?“, fragte sie, als sie ihr Zimmer erreicht hatten. „Sie bleibt im Schloss versteckt, bis ich einen neuen Auftrag für sie habe. Die Torger mögen keine Kalten Wesen, sie haben Angst vor ihnen, deshalb wäre es nicht klug, sie darauf zu stoßen.“ „Ich werde zu keinem ein Wort sagen“, versprach Sheylah. Neela lächelte müde und sagte: „Das weiß ich doch. Aber jetzt ist es Zeit zu schlafen, du musst dich ausruhen.“ Sheylah zog eine Grimasse „Ich glaube, wir beide benötigen Schlaf, du kannst gern bei mir übernachten“, schlug sie vor. Neela lachte. „Eine Bedienstete, die im Gemach der Prinzessin nächtigt. Das wäre keine gute Idee.“ „Ach ja“, erinnerte sich Sheylah. Sie vergaß andauernd, dass sie eine Prinzessin war und sich auch dementsprechend zu benehmen hatte. „Sehen wir uns morgen?“ Neela überlegte. „Ich fürchte nicht, ich muss noch ein paar Dinge erledigen.“
„Oh“, machte Sheylah. Neela tätschelte ihr den Arm und schenkte ihr ein herzerfrischendes Lächeln. „Es ist ja nur für einen Tag.“ „Aber wer soll mich dann anziehen?“, fragte Sheylah scherzhaft. Neela lachte. „Keine Sorge, es wird morgen früh ein Dienstmädchen für dich da sein, das dir beim Ankleiden hilft. Ich wünsche eine gute Nacht.“ Damit verließ sie das Zimmer und überließ Sheylah sich selbst. Sheylah ließ sich auf das frisch bezogene Bett fallen und schlief sofort ein. Im Traum saß sie in einem langen Korridor auf dem Boden und starrte auf das Gemälde von Zizilia und Alice. Sie versuchten ihr etwas zu sagen, bewegten den Mund, doch es kam kein Laut heraus. Dann erschien Raqui und setzte sich neben sie. Auch sie versuchte Sheylah etwas zu sagen, aber so sehr sie sich auch bemühte, Sheylah konnte nicht in ihren Geist eindringen. Sie war verzweifelt, denn sie wusste, was man ihr sagen wollte, war wichtig. Neela erschien an Sheylahs Seite sowie Andrey und Djego. Alle redeten auf sie ein, ohne dass sie ein Wort verstand. So ging es den ganzen Traum weiter, bis Sheylah erlöst wurde und aufwachte. Die Sonne stand schon am höchsten Punkt und gab eine fast unangenehme Wärme von sich, als Sheylah endlich erwachte. Die Decke hatte sich wie ein Kokon um ihren Körper gewickelt. Sheylah schwitzte. Als sie sich an die Stirn fasste, waren ihre Hände nass von kaltem Schweiß. Schwerfällig stieg sie aus dem Bett, sie fühlte sich ausgelaugt und schwächlich. Was war bloß los mit ihr, sie hatte doch reichlich geschlafen? Nachdem sie sich gewaschen hatte, zog sie ein schlichtes weißes Kleid an und kämmte sich ihre Haare zu einem Mittelscheitel. Sollte heute nicht ein Dienstmädchen kommen? Nicht, dass sie eins benötigte, aber Neela hatte es so angekündigt. Sie hörte jemanden die Treppe heraufkommen und ging zur Tür. Da war sie ja schon, dachte sie und öffnete, doch es war niemand zu sehen. „Hallo?“, rief sie der dunklen Treppe zugewandt, keine Antwort. Hinter ihr machte es „Pst!“ Erschrocken drehte sie sich im Zimmer herum, doch es war leer. „Ich bin es, Neela, mach die Tür auf!“ Sheylah schaute sich um. „Sie ist auf “, antwortete sie. „Nicht diese, die Geheimtür!“ Ach ja, die hatte sie ganz vergessen. Sheylah zog den Vorhang zur Seite und tastete die Steinwand ab, bis sie einen Luftzug spürte.
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