Sheylah und die Zwillingsschluessel
war unergründlich. Sie konnte nicht sagen, ob er sich freute oder sie bedauerte, es war eigentlich auch völlig egal. Nichts war erschütternder als das, was sie eben erfahren hatte. Ihre Urgroßmutter Zizilia und deren Tochter Alice waren Prinzessinnen aus einer anderen Welt. Und sie als ihr Nachfahre damit auch. Oh Gott, jetzt ergab auch alles Sinn! Wieso man Alice‘ Stammbaum nicht nachverfolgen konnte, wieso sie diesen wertvollen Schlüssel bei sich hatte oder wieso Großmutter Alice, wie ihre Mutter Sheylah erzählt hatte, immer von Prinzessinnen und Monstern geredet hatte. Obwohl sich Sheylah leicht benommen fühlte, hatte sie doch eine entscheidende Frage im Kopf. „Wo ist Prinzessin Zizilia?“ Der Graf wirkte betroffen. „In den Grabkammern zu euren Füßen.“ „Oh“, machte Sheylah, ihre Lippen waren trocken. Noch eine Frage bildete sich in ihrem Kopf, dann noch eine und noch eine. „Wie ist Oma Alice in meine Welt gelangt? Wer hat sie dort hingeschickt und vor allem wie? Wieso ist sie von hier fortgeschickt worden?“ Sie hörte gar nicht auf, zu fragen. Der Graf unterbrach sie. „Sheylah, mein Kind, nicht so schnell. Das hier ist nicht der richtige Ort, um dir diese Fragen zu beantworten, jetzt sollten wir erst einmal deine Rückkehr feiern, findest du nicht?“ Nein, überhaupt nicht. Sie wollte nicht feiern, sie wollte wissen, ob das Ganze wirklich wahr sein konnte. „Natürlich möchten wir nicht vergessen, wem wir es zu verdanken haben, dass unsere Prinzessin wohlauf vor uns steht“, begann der Graf und erhob sich wieder. Jetzt sprach er zur Menge. „Wie ihr wisst, hat uns Lisa, Hellseherin und Gräfin von Lichtingen, zu Sheylah geführt. Sie entschuldigt ihre Abwesenheit. Man wird sie jedoch reichlich belohnen. Und nun zu unserem Helden, Sir Andrey Darios, der unsere Prinzessin trotz eines Angriffs der Skintii sicher nach Torga geleitet hat. Seine Männer haben hohe Verluste erlitten, doch sie haben gesiegt. Ich möchte einen Toast auf unsere tapferen Gefallenen sprechen und sie ehren, denn ihr Tod war nicht umsonst.“ Er hielt kurz inne und winkte Djego zu sich heran. „Einen weiteren Toast spreche ich auf Sir Djego Gronwald, der für Sheylahs Sicherheit keinen geringeren Einsatz geleistet hat.“ Die Menge explodierte in Beifall und Jubel und Sheylah fragte sich, warum der Graf log. Es war nicht Andrey, der Sheylah sicher hierher gebracht hatte, sondern Djego. Doch die Menschen schienen davon nichts zu ahnen, überlegte sie und registrierte erst mit Verspätung, wer da eben aus dem Schatten getreten war. Es war niemand Geringeres als Andrey Darios. Wann war er in Torga eingetroffen? Am Vorabend hatte Djego noch gesagt, er sei noch nicht zurück. Sie machte automatisch einen Schritt nach vorn und wollte sich auf ihn stürzen und umarmen, besann sich dann aber und hielt inne. Andrey schaute kurz von dem Podest zu ihr herunter, wandte den Blick aber wieder ab und schaute in die Menge. Was war nur mit ihm los? Ihr fiel der Beinahe-Kuss mit dem falschen Andrey ein und das damit verbundene kribbelnde Gefühl. Wie sollte sie ihm nur jemals wieder unter die Augen treten? Djego hatte ihm doch hoffentlich nichts gesagt und wenn, warum interessierte sie das überhaupt? Sie hegte doch keine tieferen Gefühle für ihn, oder? Ihr Herz, das bei seinem Anblick aufgeregt hin und her hüpfte, sprach leider eine ganz andere Sprache. Was hatte sie sich da bloß wieder eingebrockt? Andrey und Djego bekamen einen Ehrenplatz am Tisch, so dass dieser um zwei Personen verlängert wurde und Sheylah musste sich zwischen den Grafen und Aros setzen - obwohl sie lieber bei Andrey und Djego gesessen hätte. Bevor sie jedoch Platz nehmen konnte, musste sie beinahe jedem Menschen im Saal die Hand schütteln und sich anfassen lassen. Mütter wollten, dass sie ihre Kinder segnete und andere sie einfach nur von Nahem betrachten. Sie fühlte sich wie ein Star bei der Autogrammstunde. Nach etwa einer Stunde kehrte sie erschöpft an ihren Platz zurück und der Graf verkündete ein Fest ihr zu Ehren. Es war Vormittag, als die Feierlichkeiten begannen und Abend, als sie endeten. Sheylah hatte noch nie so lange auf ihrem Hintern gesessen, denn aufstehen durfte sie nicht. Es wurde Musik gemacht, Theater gespielt und Kunststücke vorgeführt. Es war sogar extra für Sheylah ein Feuerschlucker bestellt worden. Die Herren am Tisch tranken Wein und andere alkoholische Sachen, von denen Sheylah noch nie gehört hatte. Es wurde
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