Sheylah und die Zwillingsschluessel
„Warum warst du dabei?“, unterbrach ihn Sheylah. „Ich war Zizilias Leibwache und musste Tarem bewachen.“ Sheylah nickte und Andrey fuhr fort: „Prinz Tristan war der Erste, der einen Hirsch sah und sprengte mit seinem Pferd davon. Zizilia und ich ritten ihm nach, die anderen ließen wir zurück. Als wir ihn allerdings erreichten, hatte Tristan den Hirsch bereits schwer verletzt. Es war ein schrecklicher Anblick. Er hatte auf Zizilia und mich gewartet, damit wir zusahen, wie er den Hirsch erlegt. Ich werde sein Gesicht nie vergessen, grinsend und blutverschmiert sah er uns an. Er wollte gerade zum tödlichen Schlag ausholen, als ein Krächzen am Himmel erklang. Isaak stürzte auf Tristan herab, damals kaum größer als ein gewöhnlicher Rabe und fing den Hieb des Schwertes ab. Dabei verletzte er sich am Flügel und stürzte zu Boden. Das war das erste Mal, dass Zizilia ihren Bruder so sah. Ich glaube, von dem Tag an war etwas in ihr zerbrochen. Tristan schwang sich auf sein Pferd und stürmte davon und der Hirsch war verschwunden. Später erfuhren wir, dass es ein Kaltes Wesen war. Prinz Tristan hatte nicht nur die Regeln verletzt, er hatte zudem noch ein Kaltes Wesen angegriffen. Eine Zeitlang traute sich niemand in die Wälder, aus Angst, sie könnten sich rächen. Doch ihre Sorge war unbegründet. Denn nachdem Zizilia Isaak mit ins Schloss nahm und ihn aufpäppelte, schwor er ihr ewige Treue und bat sein Volk, die Menschen nicht wegen eines Einzelnen zu verurteilen. Nachdem Zizilia dann von Morthon ermordet wurde, sprach ich ihn frei, doch Isaak blieb bei mir, bis er die Gelegenheit bekommen würde, sich an dem dunklen Herrscher zu rächen. Wie du siehst, bist du nicht die Einzige, die mit Morthon noch eine Rechnung zu begleichen hat. Der Krieg ist nah und wir Menschen sind nicht die Einzigen, die daran teilhaben werden.“ „Werden denn noch andere Wesen mit uns kämpfen?“, fragte Sheylah neugierig. Natürlich wollte sie den Tod von Zizilia und ihren gesamten Vorfahren rächen und ursprünglich hatte sie geglaubt, sie müsse allein in den Kampf ziehen, aber wenn es andere Geschöpfe gab, die mit ihnen zogen, machte es Sheylah neue Hoffnung. „Die Kalten Wesen werden mit uns kämpfen, bei den Geistern bin ich mir nicht so sicher.“ „Geister?“, fragte Sheylah und schüttelte sich unbewusst. „Es gibt viele. Waldgeister, Erdgeister, Feuergeister und Wassergeister“, zählte er auf. „Djego sagte mir aber, sie seien neutral“, entgegnete sie. Sie konnte sich noch gut an ihre erste Begegnung mit einem Wassergeist erinnern. „Normalerweise sind sie das auch“, überlegte Andrey. „Aber das Böse hat sie aus ihren ursprünglichen Lebensräumen vertrieben. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie nicht gut auf die Skintii zu sprechen sind.“ „Was ist mit Zwergen?“, fragte Sheylah. Sie wollte unbedingt mal welche sehen. „Zwergen? Was sind Zwergen?“, fragte er. „Nicht Zwergen, Zwerge“, antwortete Sheylah und wartete eine Reaktion ab. Es kam keine. Wie beschrieb man einen Zwerg, ohne beleidigend zu werden? „Du weißt schon, winzig kleine Menschen, meist mürrisch und schlecht gelaunt.“ Andrey schüttelte den Kopf und Sheylah passte. „Dann nenn’ du mir Geschöpfe.“ „Es gibt Drachen, weit oben in den Bergen.“ „Wohl eher nicht“, schnaubte sie. Die hatten in den meisten Märchen und Geschichten, die sie kannte, nicht gerade durch Freundlichkeit und Zahmheit geglänzt! „Also wenn du Drachen schon nicht magst, dann brauch ich dir wohl nichts von Vampiren zu erzählen.“ Sheylah fiel die Kinnlade herunter. „Du meinst Vampire? Richtige Vampire? Wo? Wie viele?“, fragte sie aufgeregt. Ihre Reaktion schien Andrey zu überraschen. „Du hast Angst vor Drachen, aber Vampire magst du?“ „Ich bin ein absoluter Fan … äh … Liebhaber“, korrigierte sie sich. „Mit denen solltest du dich nicht anfreunden“, warnte er. „Ich weiß, wie gefährlich sie sind.“ Andrey zog die Brauen hoch. „Gefährlich ist gar kein Ausdruck, sogar ich fürchte mich vor ihnen, auch wenn ich einen alten Freund unter ihnen habe.“ „Du kennst einen? Wen? Woher?“, wollte sie wissen. Andrey lachte über so viel Ungestüm. „Auch wenn dir der Name nicht viel sagen wird, er heißt Graf de Mortes, auch der Blutgraf genannt.“ „Wenn er ein alter Freund ist, kannst du ihn dann nicht um Hilfe bitten?“ Andrey machte große Augen. „Einen Vampir bittet man nicht um Hilfe, niemals! Außerdem
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