Sheylah und die Zwillingsschluessel
lebt er in einem anderen Land, er hat hiermit nichts zu tun.“ „Schade, ich hatte gehofft, in einen Vampir verwandelt zu werden, wenn ich sterben sollte“, sagte sie belustigt. Andrey fand das gar nicht amüsant. „Soweit ich gehört habe, hat Mortes ganz andere Methoden, jemanden ins Leben zurückzuholen“, sagte Andrey mehr zu sich selbst. Sein Blick ging durch sie hindurch, als erinnere er sich an etwas, das in weiter Ferne lag. Sheylahs Interesse war nun vollends geweckt. „Echt, welche denn?“ „Es gab Gerüchte, er hätte es geschafft, einen Toten zum Leben zu erwecken. Und ich spreche nicht von einem Geschöpf der Nacht, sondern von einem gesunden, lebenden Menschen.“ Sheylah machte große Augen. „Klingt ja echt abgefahren.“ „Natürlich sind das nur Gerüchte. Niemand weiß, ob sie wirklich stimmen“, fügte er hinzu. Er schaute sie warnend an, als fürchtete er, ihr Flausen in den Kopf gesetzt zu haben. „Wir sollten zurück zum Schloss gehen“, schlug er vor. „Wieso? Ich habe dem Dienstmädchen eine Nachricht hinterlassen“, protestierte sie. Sie wollte noch nicht gehen, es war so schön, mit ihm allein zu sein. „Wir sollten uns nicht zu lange in meinem Haus aufhalten, man könnte auf dumme Gedanken kommen. Du bist immerhin meine Prinzessin und ich dein Leibwächter.“ Oh, dann hatte sie ihn wohl missverstanden. Dummes, dummes Ding! , schalt sie sich. Andrey erhob sich und Sheylah tat es ihm gleich. Er fummelte an Isaaks Hals herum und löste die Schnur darum. Isaak spannte die Flügel und ließ ein lautes Krächzen hören, was Sheylah ihre empfindlichen Ohren zuhalten und zurückweichen ließ. Andrey sah den Raben streng an. „Wie oft soll ich dich noch ermahnen, tagsüber leise zu sein? Der Graf duldet dich nur auf meine Bitte hin, wenn du dich also nicht benehmen kannst, darfst du nachts nicht mehr raus, verstanden?“ Sheylah konnte die Antwort nicht hören, da auch Isaak per Gedankenübertragung kommunizierte. Sie hoffte nur, dass sie diese Fähigkeit auch bald erlernte, denn sie hatte so viele Fragen an ihn. Andrey war damit beschäftigt, das Seil wegzuräumen, als Sheylah fragte: „Wirst du mir jetzt wieder aus dem Weg gehen?“ Er erstarrte mitten in der Bewegung und wandte sich zu ihr um. Als er ihren Blick sah, kam er langsam zu ihr. „Ich dachte, ich hätte mich vorhin deutlich ausgedrückt.“ Er legte seine Hände um ihre Taille und zog sie zu sich heran. „Ich sagte doch, ich könnte dich niemals in Ruhe lassen“, flüsterte er und beugte sich zu ihr herunter. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Isaak unauffällig den Kopf wegdrehte und auf einmal deutliches Interesse am Himmel entwickelte. „Warum nicht?“, fragte sie, denn die Antwort, die sie sich erhoffte, wäre zu schön, um wahr zu sein. Erst wann Andrey sie aussprach, konnte sie sicher sein. „Was für eine Frage“, antwortete er. „Weil ich dich liebe. Ich habe es schon getan, bevor du geboren wurdest und werde es nicht mehr verleugnen.“ Damit küsste er sie.
ÜBERRASCHENDE BESUCHER
Es waren nur noch zwei Tage bis zum Aufbruch und Sheylah hatte keine Ahnung, wie sie Morthon besiegen, geschweige denn an die Truhe von Guanell herankommen sollte. Die letzten Tage hatte sie ausschließlich zum Trainieren genutzt und erst aufgehört, als sie vor Erschöpfung fast zusammengebrochen war. Sie konnte mittlerweile so ziemlich alles, was man ihr beigebracht hatte: Mit Pfeil und Bogen schießen, mit Speer und Schwert kämpfen – zu Fuß wie zu Pferd – und mit Wurfmessern sowie diversen anderen Waffen umgehen. Ihr Können hatte sie natürlich Andrey und Djego zu verdanken, aber auch ihren übermenschlichen Sinnen, die es ihr ermöglichten, all die Dinge in so kurzer Zeit zu erlernen. Und obwohl die große und alles entscheidende Schlacht kurz bevorstand, war sie so glücklich, wie noch nie in ihrem Leben. Dazu trug vor allem Andrey bei, aber auch Djego, mit dem sie sich wieder vertragen hatte. Sie musste Andrey versprechen, niemandem von ihrer Beziehung zu erzählen und sich in der Öffentlichkeit zurückhalten. Andrey erklärte ihr, dass es verboten war, wenn sich Schlüsselträger und Wächter ineinander verliebten. Denn letztendlich beschütze ein Wächter den Träger nur solange, wie er den Schlüssel besaß – vorrangig aber das magische Artefakt. Und damit die Entscheidungen des Wächters nicht getrübt werden, war ein solch enger Kontakt verboten. Djego war der Einzige, der von ihrem Geheimnis
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