Sheylah und die Zwillingsschluessel
wir zu langsam voran.“ Djego nickte zustimmend. „Und welchen Weg schlägst du vor? Sollen wir etwa durch das Basaland reiten?“, fragte Marces voller Hohn. Er legte es heute wohl auf Streit an! Andrey schloss genervt die Augen. „Hüte deine Zunge, Marces. Ich habe deinen Vater und dessen Vater gekannt und die waren weitaus gescheitere Kriegsführer als du“, zischte er. Marces stand ruckartig auf und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Dass du es wagst, mich zu beleidigen, du falscher Hexer!“, rief er und verteilte seine gesamte Spucke auf dem Tisch. „Du hast ihn doch provoziert, du mieser Arsch!“, warf ihm Sheylah an den Kopf. Es war ihr herausgerutscht, bevor sie etwas dagegen tun konnte. Sie hasste Marces. Warum konnte man ihn nicht einfach aus dem Rat entlassen? Alle am Tisch waren ruhig geworden und starrten sie an. „Was glotzt ihr denn alle so? Geziemt sich das etwa nicht für eine Prinzessin, so zu sprechen?“, fragte sie gereizt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie glaubte, Aros in sein Glas lachen zu sehen. „Marces, setz’ dich gefälligst hin! Und ihr anderen solltet euch beruhigen“, bellte Graf Aresto. „Wir sind hier, um über die Zukunft unseres Königreiches, vielleicht sogar unserer Welt zu entscheiden und nicht, um uns über Nichtigkeiten zu streiten.“ Marces und Andrey saßen sich mit verschränkten Armen gegenüber. Sie sahen aus wie zwei schmollende Kinder. „Bitte Andrey, fahre mit deinem Vorschlag fort“, bat Friedrich. „Wenn es einen sicheren Weg gibt, wollen wir ihn alle hören.“ Marces grunzte und starrte stur auf seinen Becher. Wenigstens hielt er die Klappe. „Ich habe eine alte Freundin, die nur wenige Tagesritte von hier entfernt lebt. Ihr wisst, wen ich meine. Sie hat damals die Prophezeiung über Sheylah gemacht“, fuhr Andrey fort. Ach, eine Prophezeiung? Wie interessant. Sheylah warf Andrey einen vorwurfsvollen Blick zu. Und da hatte sie geglaubt, er hätte keine Geheimnisse mehr vor ihr! „Du meinst doch nicht diese verrückte Gräfin von Lichtingen, oder?“, fragte Viktor und schaute, Zustimmung suchend, in die Runde. „Sie ist nicht verrückt“, entgegnete Andrey scharf. „Dürfte ich vielleicht erfahren, was das für eine Prophezeiung ist?“, fragte Sheylah ungeduldig. Graf Aresto antwortete: „Lisa ist eine Seherin. Sie kann in die Köpfe der Menschen schauen und manchmal sogar die Zukunft voraussagen. Viele Menschen meiden deswegen ihre Nähe, sie haben Angst vor ihr.“ „Und das zu Recht, sie ist verrückt und dazu noch eine Hexe“, warf Marces ein. Sheylah war kurz davor, ihm ihren Becher an den Kopf zu werfen.
„Und in gewisser Weise ist sie das auch. Zizilias Blut fließt in ihren Adern“, fügte Andrey hinzu. „Was glaubst du, bei der Gräfin zu finden?“, fragte Friedrich an Andrey gewandt. „Es wäre hilfreich, wenn sie uns eine Prophezeiung macht, was unsere Reise betrifft. Wie stimmt ihr ab?“, fragte er. Sofort erhoben sich die Stimmen. „Das ist eine weise Entscheidung“, pflichtete ihm Friedrich bei. „Ich weiß nicht“, überlegte Viktor. „Ich bin dafür“, stimmte Aros zu. Der Graf sagte gar nichts und der lauteste Kommentar kam von Marces: „Das ist das Dümmste, was mir je zu Ohren gekommen ist. Ich sage euch, wir marschieren durch die Wüste und schleichen uns nicht wie Feiglinge außen herum. Und dann sollen wir auch noch bei einer verrückten Hexe Rat suchen?“ Marces war so außer sich, dass er seine mit goldenen Ringen verzierte Hand auf den Tisch knallte. Die Becher wankten gefährlich und jeder versuchte, seinen vor dem Umkippen zu bewahren. Der Graf schenkte Marces einen finsteren Blick, doch dieser nahm ihn gar nicht wahr. Er war voll und ganz auf Andrey fixiert. „Es geht nicht darum, feige oder mutig zu sein. Unsere einzige Sorge liegt bei Sheylahs Wohl“, meldete sich Djego zu Wort. Plötzlich drehte sich Marces zu Sheylah um und starrte sie lange an. Sie runzelte die Stirn und starrte zurück. „Eines verstehe ich nicht“, begann er und schaute Sheylah durchdringend an. „Warum machen wir uns überhaupt die Mühe und opfern so viele Männer, wenn Morthon den Schlüssel sowieso spüren kann?“ Andrey fuhr von seinem Stuhl hoch. „Du verstehst es einfach nicht! Morthon weiß nichts von Sheylah. Wenn unsere gesamte Armee in Guanell aufläuft, wird er den Schlüssel zwar spüren, aber einige Zeit brauchen, um ihn zu finden. Er wird nicht erwarten, dass es eine Frau ist, die ihn
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