Sheylah und die Zwillingsschluessel
wusste und er war offensichtlich froh darüber, nicht länger zwischen den beiden zu stehen. Er gönnte ihnen ihr Glück und das brachte er immer wieder zum Ausdruck. „Wenn ihr euch demnächst vermählt, werde ich selbstverständlich Trauzeuge sein und die Zeremonie krönen wir dann mit einem großen Turnier. Was haltet ihr davon?“, fragte er Andrey und Sheylah. Sie waren mit dem täglichen Training fertig und sattelten ihre Pferde. Andrey und Sheylah wechselten einen Blick. „Wenn du nicht bald aufhörst, heiraten wir erst in einhundert Jahren, dann sind wir dich und deine Flausen nämlich los“, antwortete Andrey, woraufhin beide lachten. Sheylah sah die Männer empört an. Was für ein kranker Humor! Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder ihrem Pferd zu.
Es gab noch eine Sache, bei der nicht einmal Andrey oder Djego sie aufmuntern konnten. Neela. Sie wusste, Neela wollte erst am letzten Tag ihrer Abreise erscheinen, aber irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl. Es waren immerhin nur noch zwei Tage. Was, wenn ihr etwas geschehen war oder sie es nicht rechtzeitig schaffte? Sie hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt, Isaak zu ihr zu schicken, doch Andrey hatte es ihr gleich wieder ausgeredet. Es sei zu gefährlich und Isaak wäre der Einzige, der wüsste, wo Morthons Versteck war. Damals, als der dunkle Herrscher seine Schwester tötete und nach Guanell floh, war Isaak ihm heimlich gefolgt. Er hatte einen Weg durch die Dunkelberge gefunden, doch weil Kalte Wesen keine bildlichen Gedanken übertragen konnten, sondern nur Wörter, war er der einzige Anhaltspunkt auf der Suche nach Morthons Versteck. Am Abend vor der Abreise versammelte sich alles, was in Torga Rang und Namen hatte, im großen Saal. Der Rat war natürlich anwesend sowie sämtliche Adlige und hohe Herren aus den Großstädten. Der Saal war bis zum Rand gefüllt und dennoch machten ihr die Menschen ehrerbietig Platz, als sie dicht gefolgt von Andrey und Djego den Saal betrat. Sheylah nahm ihren Platz zwischen Aresto und Aros ein, Andrey stellte sich hinter seinen Herren Aros und Djego hinter den Grafen. Dann hob der Graf seine Hände empor und die gesamte Menge verbeugte sich vor ihnen. Wie schon befürchtet, wurde das Fest ihr zu Ehren gefeiert, was sie einfach nicht verstehen konnte. Was war mit den tausenden Rittern, die sie begleiteten? Wenn sie so darüber nachdachte, glaubte sie nicht, dass auch nur die Hälfte wieder zurückkehren würde und die Menschen taten so, als würde sie allein in die Schlacht ziehen! Sicher, sie hatte zum Schluss die wahrscheinlich ungemütlichste Aufgabe: Nämlich Morthon den Schlüssel abzunehmen, ihn zu töten und den Schlüssel zu vernichten. Doch ohne die Hilfe der Männer würde sie keinen Zentimeter an ihn herankommen.
Das Fest sollte also nicht nur ihr zu Ehren gefeiert werden! Nach quälend langen Stunden voller tanzender Menschen, köstlichen Speisen, lauter Musik und jeder Menge Wein waren nur noch acht Personen im Saal. Der Kriegsrat war zurückgeblieben, um sich ein letztes Mal zu beraten. Andrey, Sheylah, Aros, Friedrich, Viktor, Marces und der Graf. Djego war auf Sheylahs Wunsch hin ebenfalls dabei. Sie saßen an der großen runden Tafel und waren mitten im Gespräch. „Hältst du es wirklich für sinnvoll, einen so weiten Umweg zu machen? Und dann noch über das Totengebirge, ein sehr gefährlicher Ort“, fragte Viktor, an Andrey gewandt. „Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es das Beste ist“, antwortete Andrey und schaute in die Runde. „Nun, Gottseidank liegt es nicht in deiner Macht, allein zu entscheiden, Sir Darios. Der Kriegsrat besteht aus sechs Männern, nicht aus einem“, brummte Marces und beugte sich bedrohlich vor. Andrey und er saßen sich gegenüber. „Was schlägst du vor, welchen Weg wir gehen sollen?“, meldete sich Friedrich erstmals zu Wort. „Oh bitte, erleuchtet uns mit Eurem Wissen“, spottete Marces. Aber Andrey ließ sich nicht so leicht aus der Reserve locken. Sheylah wusste, dass Andrey ihn in Kriegsführung unterrichtet hatte. Er hatte schon Marces’ Urgroßvater gekannt und ihn selbst, seit dieser ein kleiner Junge war. Marces war schon immer neidisch auf Andreys Unsterblichkeit gewesen und er machte keinen Hehl daraus. „Auf keinen Fall würde ich durch die Wüste gehen, wie ich es schon einmal mit Djego getan habe. Es ist ein zu ödes Land, das würden unsere Pferde nicht überstehen und ohne die kommen
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