Sheylah und die Zwillingsschluessel
sagte Andrey und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Lisa folgte seiner Geste mit einem unergründlichen Blick. Sheylah bemerkte es und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Es hätten Funken sprühen müssen, so angespannt war die Situation zwischen den beiden. „Wie Lisa schon sagte, kann sie sich auch irren und nichts von dem wird passieren“, sagte Sheylah selbstgefällig. Lisas Mundwinkel zuckten. Konnte diese blöde Kuh nicht einmal aufhören zu lachen? Das machte einen ja ganz irre! „Aber nehmen wir mal an, Lisa hat recht. Was sollte das für einen Sinn haben?“, fragte Andrey. „Ich kenne Marces seit seiner Geburt und weiß, wie sehr er die Skintii hasst. Sie haben beinahe seine gesamte Familie ausgelöscht, er würde sich ihnen nie anschließen.“ „Dieser Marces, er ist machtbesessen“, erwiderte Lisa. „Du weißt besser als wir alle, wozu die Menschen imstande sind, wenn sie nach etwas trachten.“ „Da hast du wohl Recht“, pflichtete Andrey ihr bei. „Dann bleibt uns also nichts anderes übrig, als einfach abzuwarten?“, fragte Sheylah empört. „Und auf die Prophezeiung zu warten“, bestätigte Andrey. „Ich verstehe nicht, wozu die Prophezeiung wichtig ist, wenn wir sowieso wissen, wo wir langgehen“, sagte Sheylah. „Sie ist so wichtig, weil es mehrere Wege nach Guanell gibt. Soweit wir wissen, sind es drei von Torga aus, einer gefährlicher und länger als der andere. Lisas Vorhersage wird uns die Entscheidung abnehmen“, sagte Andrey. „Bis zum Mondaufgang sind es noch fünfzehn Stunden, was machen wir so lange?“, wollte Sheylah wissen. „Ich muss noch etwas mit Lisa besprechen, danach müssen wir beide uns unterhalten“, antwortete er streng. Sheylah antwortete nicht, stattdessen bat sie Djego, ihr Gesellschaft zu leisten. Ohne Einwände begleitete er sie in den Hof hinaus. Es war warm draußen, aber nicht heiß - noch nicht. „Möchtest du zwei nette junge Frauen kennenlernen?“, fragte Sheylah augenzwinkernd und hakte sich bei ihm ein. „Ich bin doch schon in überaus reizender Begleitung“, antwortete er grinsend. „Schleimer“, sagte sie und zog ihn zum Küchenhaus. Als sie die Küche betraten, kamen die Mädchen sofort herbeigeeilt. „Ihr habt Euer Wort gehalten“, sagte Melissa, überaus erfreut. „Und jemanden mitgebracht“, sagte Sheylah grinsend und zog Djego in die Tür. War wohl schüchtern, der Gute. „Das ist Sir Gronwald, Hauptwachmann von Torga. Die Mädchen verbeugten sich und schenkten ihm untergebene Blicke. „Also, was muss getan werden?“, fragte Sheylah und klatschte eifrig in die Hände. Sie wartete die Antwort erst gar nicht ab, sondern krempelte die Ärmel hoch und ging zum Waschbecken. Djego schaute genauso ratlos drein wie Berger am Vorabend. Die Mädchen bemerkten seinen verwirrten Blick und erstarrten mitten in der Bewegung. „Keine Sorge, ihr könnt weiter arbeiten. Er ist mir untergeben und wird zu keinem ein Wort sagen“, beruhigte sie Sheylah. Also nahmen sie ihre Arbeit wieder auf und als sie beschäftigt waren, wandte sich Djego an Sheylah: „Untergeben, ja?“ Sie lächelte und signalisierte ihm, mitzuspielen. Immerhin war sie seine Prinzessin und es wäre auffällig gewesen, wenn er sich ihr widersetzt hätte. Er lenkte ein. „Was kann ich für Euch tun, Prinzessin?“, fragte er. „Ich habe vor dem Haus schwere Reissäcke gesehen. Sei doch so nett und trage sie für die Mädchen herein“, bat sie und musste sich ein Lachen verkneifen. Djego grummelte etwas vor sich hin und tat wie geheißen. Wahrscheinlich ärgerte er sich jetzt, mit ihr gegangen zu sein. Er kam in kurzen Abständen herein und schleppte die schweren Säcke in eine Ecke. Sheylah graute davor, dass die Mädchen das sonst übernehmen mussten. Frauen duften nicht schwer heben, das wusste doch jeder! Jedes Mal, wenn Djego einen Sack in die Ecke feuerte und das kräftiger als eigentlich nötig, begleitete er dies mit einem Schimpfwort, aber so genau hörte Sheylah nicht hin. Im Laufe der Zeit kamen noch weitere Mädchen herein, die Früchte, Brennholz und Wäsche hereintrugen. Sheylah lernte an diesem Tag alle Mädchen kennen und fragte sich, warum Lisa ausschließlich junge Frauen einstellte. Da die Gräfin so von ihrer Jugend geschwärmt hatte, schien sie viel Wert auf ihr Aussehen zu legen. War es da nicht deprimierend, in die jungen Gesichter zu blicken, während sie jeden Tag eine Falte dazubekam? Nach mehreren Stunden war die Küche sauber und
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