Shibumi: Thriller (German Edition)
werden zwei Flugtickets nach Pau aufgeführt.«
Der Erste Assistent verschwieg, dass er keine Ahnung hatte, wo Pau überhaupt lag. Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit Fat Boy danach zu fragen. »Was hat das alles zu bedeuten, Sir?«
»Es bedeutet, dass die CIA wieder einmal der Schweinebucht- und Watergate-Tradition gerecht geworden ist. Wieder einmal haben sie ins Klo gegriffen.« Diamonds Kinnmuskeln spannten sich an. »Die hirnlosen Bürger dieses Landes sind auf dem Holzweg, wenn sie sich vor den Gefahren interner Korruption bei der CIA fürchten. Wenn die unser Volk in die Katastrophe stürzt, dann keineswegs aus bösem Willen, sondern aus schierer Pfuscherei.« Er kehrte an seinen schlichten Schreibtisch zurück und griff nach dem Bild von Hannah Stern. »Fat Boy hat sich mit dieser Korrektur unterbrochen, während er sich mit Hannah Stern befasste. Fangen wir doch da noch mal an. Und zwar etwas weniger oberflächlich.«
Aufgrund der vorliegenden Daten und der Lücken stufte Diamond Miss Stern als eine der relativ häufigen Randfiguren des Terrorismus ein. Junge intelligente Durchschnittsamerikanerin, der Sache verschrieben. Er kannte den Typ. Wäre das noch Mode gewesen, wäre sie eine Liberale geworden. Sie gehörte zu der Art, die überall nach »Relevanz« suchte; die ihren Mangel an kritischer Urteilsfähigkeit als Vorurteilslosigkeit darstellte, die sich Gedanken über den Hunger in der Welt machte, jedoch mit einem riesigen, proteinverschlingenden Hund auf dem Campus herumspazierte – Symbol ihrer Liebe zu allen Lebewesen.
Nach Israel war sie zum ersten Mal auf einer Sommerreise gekommen, um dort ihren Onkel in einem Kibbuz zu besuchen und – nach ihren eigenen Worten, von der NSA aus einem ihrer Briefe nach Hause zitiert – »um mein Judentum zu entdecken«.
Als Diamond diesen Satz las, konnte er einen Seufzer nicht unterdrücken. Miss Stern litt offensichtlich unter dem demokratischen Wahn, alle Menschen seien interessante Geschöpfe.
Fat Boy schrieb dieser Miss Stern als Störfaktor einen relativ niedrigen Koeffizienten zu; er hielt sie für eine typische junge intellektuelle Amerikanerin, die eine Rechtfertigung für ihr Dasein suchte, bis die Ehe, der Beruf oder ein künstlerisches Hobby ihre Ambitionen verwässerten. Ihre Persönlichkeitsanalyse ergab keine jener psychotischen Macken, wie sie der Stadtguerillero aufweist, der seine sexuellen Bedürfnisse durch Gewalttaten befriedigt. Ebenso wenig war sie von der verzweifelten Sucht nach Popularität besessen, die Schauspieler und Entertainer, denen es nicht gelingt, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit aufgrund ihres Talents zu fesseln, veranlasst, plötzlich bis dato unbemerkte soziale Überzeugungen in sich zu entdecken.
Nein, in Hannah Sterns Lebenslauf gab es nichts, was ihr besondere Aufmerksamkeit gesichert hätte – bis auf zwei Faktoren: Sie war Asa Sterns Nichte; und sie war das einzige überlebende Mitglied der Munich Five.
Diamond wandte sich an Miss Swivven. »Sorgen Sie dafür, dass Starr und dieser Araber … Mr. Haman … in zehn Minuten im Vorführraum sind.«
»Jawohl, Sir.«
»Und lassen Sie den Deputy ebenfalls kommen.« Er wandte sich an den Ersten Assistenten. »Sie arbeiten mit Fat Boy weiter. Ich wünsche eine nochmalige gründliche Überprüfung des Anführers Asa Stern. Sein Einfluss ist für uns der entscheidende Ansatzpunkt. Geben Sie mir eine Liste seiner Kontakte ersten Grades: Familie, Freunde, Komplizen, Mitarbeiter, Bekannte, Affären und so weiter.«
»Einen Moment noch, Sir.« Der Erste Assistent fütterte zwei Fragen in den Computer und dann einen Modifikator. »Äh … Sir? Die Liste ersten Grades wird … äh … dreihundertsiebenundzwanzig Namen und Kurzbiografien enthalten. Und wenn wir zum zweiten Grad übergehen – Freunde von Freunden etc. –, erhöht sich diese Zahl nochmals beträchtlich. Dann hätten wir nahezu fünfunddreißig Millionen Namen. Sie sehen also, Sir, wir brauchen irgendein Prioritätskriterium.«
Der Erste Assistent hatte Recht; eine schwierige Entscheidung, denn es gab buchstäblich Tausende von Möglichkeiten, eine Liste aufzustellen.
Diamond ließ sich die Auskunft über Asa Stern noch einmal durch den Kopf gehen. Eine ganz bestimmte Zeile reizte seine Intuition: Beruf und/oder Tarnung … Landwirt, Journalist, Dichter, Historiker. Also kein typischer Terrorist, sondern etwas viel Schlimmeres – ein romantischer Patriot.
»Ordnen Sie die Liste nach
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