Shibumi: Thriller (German Edition)
sollte? Rauschgift? Subversive oder pornographische Literatur?«
Hel lächelte.
»Nein? Das hatte ich fast befürchtet.« Er schlug den Aktenhefter auf und begann die Informationen Blatt für Blatt durchzusehen, während sich seine dichten weißen Augenbrauen bei jedem unangenehmen Punkt hoben. »Übrigens«, erkundigte er sich zwischendurch, »was in aller Welt hast du nur mit Biss Browne angestellt?«
»Miss Browne? Ich kenne keine …«
»Aber, aber! Keine Ausflüchte zwischen alten Feinden! Wie wir hörten, sitzt sie im Augenblick in einem französischen Untersuchungsgefängnis, während die Franzmänner immer wieder ihr Gepäck durchwühlen. Der Bericht, den wir erhielten, war ziemlich ausführlich; man hatte sogar die amüsante Tatsache nicht ausgelassen, dass sich der Kleine, der ihr als Tarnung diente, prompt in die Hosen gemacht hat und ihm das Konsulat nun neue Kleider kaufen muss.«
Hel konnte nicht anders, er musste lachen.
»Na los doch! Unter uns. Was hast du mit ihr gemacht?«
»Tja, also, sie kam auf mich zu mit einer Finesse wie ein Furz im Bathyskaph, und ich habe sie neutralisiert. Eure Ausbildung ist auch nicht mehr das, was sie früher mal war. Das dumme Ding hat ein Geschenk angenommen.«
»Was für ein Geschenk?«
»Nur ein billiges Souvenir von Biarritz. In Seidenpapier verpackt. Aber ich hatte aus Metallfolie die Silhouette eines Revolvers ausgeschnitten und zwischen die Seidenpapierlagen geschoben.«
Sir Wilfred verschluckte sich fast vor Lachen. »Und dann hat der Röntgenschirm jedes Mal, wenn das Päckchen durchkam, einen Revolver ausgemacht, und die armen Beamten konnten nichts finden! Köstlich! Darauf muss ich einen trinken.« Er schenkte sich noch einmal ein und widmete sich dann wieder den inkriminierenden Informationen, wobei er sich gelegentlich einen Ausruf gestattete, wie etwa: »Ach, wirklich? Hätte ich nicht von ihm gedacht. – Aha, darüber wissen wir schon seit längerem Bescheid. Trotzdem sollte es nicht an die Öffentlichkeit dringen. – Ach du liebe Zeit! Das ist aber wirklich hässlich! Wie in aller Welt kann er das nur erfahren haben?«
Als er alle Unterlagen gesichtet hatte, stieß Sir Wilfred die Blätter sorgfältig mit dem unteren Rand auf den Tisch, um sie zu ordnen, und legte sie in den Aktenhefter zurück. »Nichts dabei, was uns als Einzelinformation erpressen könnte.«
»Das ist mir durchaus klar, Fred. Aber insgesamt? Jeden Tag etwas davon an die deutsche Presse?«
»Hm. Dann allerdings … Das würde sich jetzt, wo die Wahlen bevorstehen, katastrophal auf das Vertrauen in die Regierung auswirken. Ich nehme an, die Informationen sind durch den ›Druckknopf‹-Modus gesichert?«
»Selbstverständlich.«
»Hatte ich befürchtet.«
Informationen durch den »Druckknopf«-Modus zu sichern bedeutete, alles war so arrangiert, dass sie sofort an die Presse gegeben wurden, wenn nicht eine bestimmte Nachricht bis zwölf Uhr mittags eines jeden Tages eintraf. Hel hatte eine Liste von dreizehn Adressen bei sich, an die er jeden Vormittag ein Telegramm schicken sollte. Zwölf davon waren blinde Adressen, eine gehörte einem Mitarbeiter von Maurice de Lhandes, der bei Empfang der Meldung einen weiteren Mittelsmann anrufen sollte, der wiederum de Lhandes selbst benachrichtigen musste. Der zwischen Hel und de Lhandes verabredete Code war einfach und beruhte auf einem wenig bekannten Gedicht von Barro; aber die Geheimdienstler würden mehr als vierundzwanzig Stunden benötigen, um den einen Buchstaben des einen Wortes aus der Nachricht herauszufiltern, der als Auslösesignal galt. Die Bezeichnung »Druckknopf« war von einer Art menschlicher Bombe entlehnt, die so funktionierte, dass die Ladung nicht detonieren konnte, solange der Mann auf einen Knopf drückte. Jeder Versuch aber, ihn anzugreifen oder zu erschießen, führte unweigerlich dazu, dass er den Knopf losließ.
Sir Wilfred überdachte die Situation einen Moment. »Es stimmt, deine Informationen könnten Schaden anrichten. Aber wir haben strikten Befehl von der Muttergesellschaft, dieses Geschmeiß vom Schwarzen September zu beschützen, und wir haben genauso wenig Lust, den Zorn der Muttergesellschaft auf unsere Häupter herabzubeschwören, wie jedes andere Industrieland auch. Wie es scheint, muss ich zwischen zwei Übeln wählen.«
»Ja, so scheint es.«
Sir Wilfred schürzte die Unterlippe und musterte Hel abschätzend durch zusammengekniffene Lider. »Was du hier tust, Nikolai, ist ein
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