Shibumi: Thriller (German Edition)
britischen Blutsauger auftritt, der doch hinlänglich bewiesen hat, dass er sich für Geld bei jedem anbiedert, sogar bei Idi Amin? Ein wahrhaft seltsamer Beruf, den ich da ausübe.«
»Hast du dein Leben lang mit Informationen gehandelt, Maurice?«
»Bis auf ein kurzes Zwischenspiel als Basketballchampion, ja.«
»Alter Esel!«
»Hör zu, lass uns mal einen Moment ernst bleiben. Du hast gesagt, das, was du planst, wäre schwierig. Ich würde mir nie anmaßen, dir einen Rat zu erteilen, aber hast du dir mal überlegt, dass du eine ganze Zeit lang im Ruhestand gelebt hast? Ist deine geistige Kondition noch intakt?«
»So ziemlich. Ich betreibe viel Höhlensport, und dank des Trainings wird mein Verstand von der Angst nicht allzu sehr blockiert. Und zum Glück arbeite ich ja bloß gegen die Briten.«
»Das ist allerdings ein Vorteil. Die Burschen von MI -5 und MI -6 gehen üblicherweise so subtil vor, dass ihre Fehlschläge gar nicht auffallen. Und trotzdem … Irgendetwas stimmt nicht bei dieser Sache, Nikolai Alexandrowitsch. Es liegt etwas in deinem Ton, das mich beunruhigt. Nicht direkt Zweifel, aber ein gewisser gefährlicher Fatalismus. Hast du beschlossen, diesmal draufzugehen?«
Hel schwieg eine Weile. »Du bist ein ausgezeichneter Beobachter, Maurice.«
»C’est mon métier.«
»Ich weiß. Ja, Maurice, es stimmt etwas nicht, es ist etwas sehr Schmutziges an diesem Fall. Mir ist klar, dass ich durch meine Rückkehr aus dem Ruhestand das Schicksal herausfordere. Und ich glaube, dass diese Angelegenheit mich letztlich vernichten wird. Nicht die Aufgabe, die vor mir liegt. Die Septembristen, um die es dabei geht, werde ich relativ leicht von der Last ihres Lebens befreien können. Aber danach wird die Sache bedenklich. Man wird versuchen, mich zu bestrafen. Vielleicht akzeptiere ich die Strafe, vielleicht auch nicht. Wenn nicht, werde ich wieder an die Front gehen. Ich verspüre eine gewisse …«, er zuckte die Achseln, »… eine gewisse emotionale Ermüdung. Nicht direkt fatalistische Resignation, sondern eher eine gefährliche Indifferenz. Wenn sich die Würdelosigkeiten häufen, wäre es möglich, dass ich keinen besonderen Grund mehr sehe, mich ans Leben zu klammern.«
De Lhandes nickte. Diese Einstellung Hels hatte er gespürt. »Ich verstehe. Gestatte mir einen Vorschlag, alter Freund. Wie du sagst, erweisen mir die Regierungen die Ehre, immer noch meinen Tod herbeizusehnen. Sie würden eine Menge darum geben zu erfahren, wer und wo ich bin. Falls du in die Klemme gerätst, hast du meine Erlaubnis, mit dieser Information zu handeln.«
»Maurice!«
»Nein, nein! Ich leide nicht an einem Anfall don-quijotischer Heldenmütigkeit. Ich bin zu alt, um einer derartigen Kinderkrankheit zum Opfer zu fallen. Aber es wäre der letzte Streich, den wir ihnen spielen könnten. Denn siehst du, du würdest ihnen eine taube Nuss verkaufen. Bis sie hier sind, werde ich schon längst tot sein.«
»Vielen Dank, aber das könnte ich niemals tun. Nicht deinetwegen, sondern meinetwegen.« Hel erhob sich. »Tja, ich brauche ein bisschen Schlaf. Die nächsten vierundzwanzig Stunden werden anstrengend sein. Fast ausschließlich geistige Arbeit, ohne die Belebung körperlicher Gefahr. Vor Tagesanbruch muss ich fort.«
»Nun gut. Ich für meinen Teil werde, glaube ich, noch ein paar Stunden aufbleiben und die Freuden eines schlechten Lebens Revue passieren lassen.«
»Schön. Au revoir, alter Freund.«
»Nein, nicht au revoir, Nikolai.«
»Ist es so nahe?«
De Lhandes nickte.
Hel beugte sich hinab und küsste seinen Kameraden auf beide Wangen. »Adieu, Maurice.«
» Adieu, Nikolai.«
Er war schon an der Tür, als de Lhandes ihn noch einmal zurückhielt.
»Ach, Nikolai. Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Jeden.«
»Estelle ist in diesen letzten Jahren wunderbar zu mir gewesen.
Wusstest du, dass sie Estelle heißt?«
»Nein.«
»Also, ich möchte ihr eine Freude machen, eine Art Abschiedsgeschenk. Würdest du zu ihr hineinschauen? Zweite Tür oben an der Treppe. Und sag ihr bitte hinterher, dass es ein Geschenk von mir war.«
Hel nickte. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Maurice.«
De Lhandes starrte ins verlöschende Feuer. »Ihr auch, hoffe ich«, murmelte er.
Hel richtete seine Ankunft auf dem Flughafen von Biarritz so ein, dass er sich nur kurze Zeit ungeschützt in der Öffentlichkeit aufhalten musste. Er hatte Biarritz, das nur geografisch zum Baskenland gehört, noch nie richtig gemocht;
Weitere Kostenlose Bücher