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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Russin.«
    »Ach ja, natürlich.«
    »Ich bin niemals im Russischen unterrichtet worden. Es war eine der Sprachen meiner Kinderstube.«
    »Ich verstehe.« Es war einer von Gorbatows Tricks, dem anderen die Last der Gesprächsführung aufzubürden und ihn auszuhorchen, indem er nur gelegentlich durch eine eingeworfene Bemerkung andeutete, er sei noch nicht ganz überzeugt. Nikolai ließ ihm diese leicht durchschaubare Taktik durchgehen, weil er des ewigen Kampfes müde und nach all den Sackgassen und Irrwegen frustriert und begierig war, endlich etwas über Kishikawa-san zu erfahren. Er lieferte dem Oberst mehr Informationen als nötig, merkte aber schon während er sprach, dass seine Erklärungen nicht glaubhaft klangen. Diese Erkenntnis bewog ihn, alles noch eingehender zu erklären, aber seine detaillierten Ausführungen ließen das, was er sagte, noch unwahrhaftiger klingen.
    »Bei uns zu Hause, Herr Oberst, bin ich schon in der Kinderstube mit Russisch, Französisch, Deutsch und Chinesisch aufgewachsen.«
    »Dann muss es aber sehr eng gewesen sein in Ihrer Kinderstube.«
    Nikolai versuchte zu lachen, aber der Laut klang dünn und kaum überzeugend.
    »Und Englisch«, fuhr Oberst Gorbatow fort, »Englisch sprechen Sie natürlich auch, nicht wahr?« Die Frage wurde auf Englisch gestellt – mit einem leicht britischen Akzent.
    »O ja«, antwortete Nikolai auf Russisch. »Und Japanisch. Aber das sind angelernte Sprachen.«
    »Also nicht aus der Kinderstube?«
    »Wie ich Ihnen bereits erklärte.« Sofort bereute Nikolai den rüden Ton, den er angeschlagen hatte.
    »Aha.« Der Oberst lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und betrachtete Nikolai mit einer Spur von Belustigung in den asiatisch geschnittenen Augen. »Ja«, sagte er schließlich, »sehr gut ausgebildet. Und entwaffnend jung. Aber trotz all Ihrer Kinderstuben- und Nachkinderstubensprachen, Herr Hel, sind Sie doch eigentlich Amerikaner, nicht wahr?«
    »Ich arbeite für die Amerikaner. Als Übersetzer.«
    »Aber Sie haben einen amerikanischen Ausweis vorgelegt.«
    »Der wurde mir wegen meiner Arbeit ausgestellt.«
    »Aber natürlich! Ich verstehe. Nur hatte ich Sie, wenn ich mich recht erinnere, nicht gefragt, für wen Sie arbeiten – das wissen wir nämlich längst –, sondern welche Staatsangehörigkeit Sie besitzen. Sind Sie Amerikaner oder nicht?«
    »Nein, Herr Oberst, das bin ich nicht.«
    »Was sind Sie dann?«
    »Nun ja … Eher Japaner als etwas anderes, glaube ich.«
    »Ach ja? Bitte entschuldigen Sie, aber für mich sehen Sie nicht sehr japanisch aus.«
    »Meine Mutter war, wie ich schon sagte, Russin. Und mein Vater war Deutscher.«
    »Aha! Das erklärt alles. Eine typisch japanische Abstammung.«
    »Ich verstehe nicht, was für eine Bedeutung meine Staatsangehörigkeit haben soll.«
    »Das brauchen Sie auch nicht zu verstehen. Bitte beantworten Sie einfach meine Frage.«
    Die plötzliche Kälte im Ton des Obersten veranlasste Nikolai, seinen wachsenden Zorn und seine Frustration zu bezähmen. Er holte tief Luft. »Ich bin in Shanghai geboren. Hierher, nach Japan, kam ich während des Krieges – unter dem Schutz von General Kishikawa, einem Freund meiner Familie.«
    »Und welche Staatsangehörigkeit besitzen Sie?«
    »Keine.«
    »Wie unangenehm für Sie!«
    »Allerdings. Ich konnte nicht einmal meinen Lebensunterhalt verdienen.«
    »Davon bin ich überzeugt, Herr Hel. Und da Sie in so großen Schwierigkeiten steckten, ist es nur allzu leicht verständlich, dass Sie bereit waren, praktisch alles zu tun, um zu einer Anstellung und zu einem Verdienst zu kommen.«
    »Oberst Gorbatow, ich bin kein Spion der Amerikaner. Ich bin ihr Angestellter, nicht ihr Agent.«
    »Sie machen da feine Unterschiede, deren Bedeutung mir, wie ich gestehen muss, entgeht.«
    »Warum sollten die Amerikaner ein Gespräch mit General Kishikawa suchen? Aus welchem Grund sollten sie ein so kompliziertes Theater inszenieren, nur um Kontakt mit einem Offizier herzustellen, der nichts war als ein einfacher Verwaltungsangestellter?«
    »Genau das hätte ich gern von Ihnen gewusst, Herr Hel.« Der Oberst lächelte.
    Nikolai erhob sich. »Ich stelle fest, Herr Oberst, dass dieses Gespräch Sie mehr amüsiert als mich. Ich möchte Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Bestimmt warten irgendwo noch ein paar Fliegen darauf, dass Sie ihnen die Flügel ausreißen!«
    Gorbatow lachte laut auf. »Diesen Ton habe ich seit Jahren nicht mehr gehört! Nicht nur

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