Shibumi: Thriller (German Edition)
doch noch? – also dieser Gook -General hat schon mal versucht, sich umzubringen. Deswegen können wir’s nicht riskieren, dass er vielleicht Gift in die Finger kriegt. Kapiert?«
Nikolai bejahte. Und da er wusste, dass er sich mit den Behörden gutstellen musste, wenn er Kishikawa-san helfen wollte, scherzte er mit dem Militärpolizisten: »Ja, Sergeant, ich weiß, was Sie meinen. Manchmal wundert man sich wirklich, wieso überhaupt ein japanischer Offizier den Krieg überlebt hat, wo die doch alle zum Selbstmord neigen.«
»Genau. Und wenn dem da was passiert, sitze ich mit dem Arsch im Dreck. He! Was ist denn das?« Der Sergeant hielt ein kleines, magnetisches Go-Brett empor, das Nikolai in letzter Minute eingesteckt hatte, für den Fall, dass es nichts mehr zwischen ihnen zu sagen gäbe und die Situation zu peinlich würde.
Nikolai zuckte die Achseln. »Ein Spiel. Eine Art japanisches Schach.«
»Ach ja?«
Der japanische Wärter, der unbeholfen herumgestanden hatte, weil er sich in dieser Situation recht überflüssig vorkam, bestätigte seinem amerikanischen Kollegen stolz in gebrochenem Englisch, dass es sich in der Tat um ein japanisches Brettspiel handele.
»Tja, ich weiß nicht recht, Kumpel. Ich bin nicht sicher, ob Sie das mit reinnehmen dürfen.«
Nikolai zuckte abermals mit den Achseln. »Das müssen Sie entscheiden, Sergeant. Ich dachte nur, wir könnten uns damit die Zeit vertreiben, falls der General keine Lust zum Reden hat.«
»Ach, Sie sprechen Gook ?«
Nikolai hatte sich oft gefragt, wieso ausgerechnet dieser Ausdruck, eine Verballhornung des koreanischen Namens für ihr eigenes Volk, zur verächtlichen Standardbezeichnung des amerikanischen Militärs für alle Asiaten geworden war.
»Ja, ich spreche Japanisch.« Nikolai wusste, dass man dort, wo die Vernunft auf sture Ignoranz trifft, nur mit Täuschungsmanövern weiterkommt. »Sie haben doch sicher aus meinem Ausweis ersehen, dass ich bei Sphinx arbeite.« Er fixierte den Sergeant mit festem Blick und nickte verstohlen zu dem japanischen Wärter hinüber, um anzudeuten, er sei nicht geneigt, sich näher über den Zweck seines Besuches auszulassen, solange fremde Ohren mithörten.
Der Militärpolizist runzelte beim Nachdenken vor Anstrengung die Stirn, dann nickte er verständnisinnig. »Ach so! Ich hatte mich schon gewundert, wieso ein Amerikaner diesen Gook -General besucht.«
»Dienst ist Dienst.«
»Genau. Na ja, dann wird es wohl in Ordnung gehen. Ein harmloses Brettspiel kann ja keinen Schaden anrichten.« Er gab das Miniatur-Go-Brett zurück und führte Nikolai ins Sprechzimmer.
Fünf Minuten später wurde eine Tür geöffnet, und General Kishikawa trat ein, gefolgt von zwei weiteren Wärtern: einem anderen Japaner und einem untersetzten Russen mit den undurchdringlichen fleischigen Zügen der slawischen Bauern. Nikolai erhob sich grüßend; die beiden neuen Wachen nahmen an der Wand Aufstellung.
Als Kishikawa-san näher kam, neigte Nikolai unwillkürlich in der Geste des Gehorsamen den Kopf. Dies entging den japanischen Wärtern nicht; die beiden tauschten einen flüchtigen Blick, hielten aber zum Glück den Mund.
Der General schlurfte vorwärts und nahm Nikolai gegenüber an dem rohen Holztisch Platz. Als er nach einer Weile den Blick hob, war der junge Mann zutiefst erschüttert. Er hatte zwar eine Veränderung in Kishikawa-sans Zügen erwartet, eine Erschütterung seiner ruhigen, sanften Art, aber auf das, was er sah, war er nicht vorbereitet.
Der Mann ihm gegenüber war alt, gebrechlich, zusammengesunken. Seine transparente Haut und die tastenden, unsicheren Bewegungen wirkten sonderbar priesterhaft. Als er endlich sprach, klang seine Stimme farblos und monoton, so als wäre die Kommunikation eine sinnlose Last. »Warum bist du gekommen, Nikko?«
»Um bei Ihnen zu sein, Sir.«
»Aha.«
Es entstand ein längeres Schweigen, weil Nikolai nicht wusste, was er sagen sollte, und der General nichts zu sagen hatte. Schließlich übernahm Kishikawa-san mit einem langen zitternden Seufzer die Verantwortung für das Gespräch, denn er wollte nicht, dass dieses Schweigen für Nikolai peinlich wurde. »Du siehst prächtig aus, Nikko. Geht es dir gut?«
»Ja, Sir.«
»Schön. Schön. Du wirst deiner Mutter mit jedem Tag ähnlicher. In deinen Augen sehe ich die ihren.« Er lächelte schwach. »Man hätte eurer Familie klarmachen sollen, dass dieses Grün für Jade oder antikes Glas bestimmt ist, nicht aber für menschliche
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