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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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der japanischen kaiserlichen Armee sei, der die Strapazen des Umerziehungslagers überlebt habe, und daher eine vom Prestige- und Propagandawert her überaus wichtige Persönlichkeit für uns darstelle.« Der Oberst hakte seine Brille wieder hinter die Ohren. »Ich fürchte, junger Mann, Sie können dem General nicht helfen. Und wenn Sie Ihre Absichten weiterverfolgen, wird der amerikanische Geheimdienst Sie unter die Lupe nehmen. Und wenn mein Waffenbruder und Verbündeter, Captain Thomas, nichts für Sie tun konnte, dann kann ich ganz gewiss nichts für Sie tun. Denn schließlich ist er ja der Verteidiger, während ich die Anklage vertrete. Wollen Sie wirklich kein Glas Tee?«
    Nikolai griff nach dem letzten Strohhalm. »Captain Thomas hat mir gesagt, wenn ich den General besuchen wollte, müsste ich Ihre Genehmigung einholen.«
    »Ganz recht.«
    »Nun?«
    Der Oberst drehte seinen Schreibtischsessel dem Fenster zu und starrte, mit dem Zeigefinger an seine Schneidezähne klopfend, in den regnerischen Tag hinaus. »Sind Sie sicher, dass er Ihren Besuch wünscht, Herr Hel? Ich habe mit dem General gesprochen. Er ist ein sehr stolzer Mann. Es wird ihm unangenehm sein, in seinem gegenwärtigen Zustand vor Ihnen zu erscheinen. Er hat zweimal versucht, Selbstmord zu begehen, und wird nun sehr streng überwacht. Sein gegenwärtiger Zustand ist entwürdigend.«
    »Ich muss ihn sehen. Ich schulde ihm … sehr viel.«
    Der Oberst nickte, ohne sich vom Fenster abzuwenden. Er schien in seine eigenen Gedanken versunken.
    »Nun?«, erkundigte sich Nikolai nach einer Weile.
    Gorbatow antwortete nicht.
    »Darf ich den General besuchen?«
    Mit fremder, tonloser Stimme sagte der Oberst: »Ja, natürlich.« Dann wandte er sich zu Nikolai um und lächelte. »Ich werde sofort das Nötige veranlassen.«
    Obwohl er in dem schaukelnden Wagen der Yamate-Hochbahn so eng eingekeilt stand, dass er durch seine nassen Kleider hindurch die Körperwärme der anderen Passagiere spürte, fühlte sich Nikolai in seiner Konfusion und seinen bitteren Zweifeln allein und verlassen. Durch kleine Lücken zwischen den Umstehenden sah er unten die Stadt vorbeigleiten, trostlos in der nassen Kälte und durch die bleiernen Wolken jeglicher Farbe beraubt.
    In Oberst Gorbatows Erlaubnis zu einem Besuch bei Kishikawa-san hatte eine versteckte Drohung gelegen, und Nikolai hatte sich schon den ganzen Morgen bedrückt und hilflos gefühlt, so sehr bedrängten ihn böse Vorahnungen. Vielleicht hatte Gorbatow Recht gehabt, als er meinte, dieser Besuch sei am Ende doch keine liebevolle Geste. Aber er konnte und wollte nicht zulassen, dass der General seinem bevorstehenden Prozess, seiner Erniedrigung, allein entgegensah. Das wäre ein Akt der Gleichgültigkeit gewesen, den er sich niemals hätte verzeihen können. Aber fuhr er denn jetzt um seines eigenen Seelenfriedens willen ins Sugamo-Gefängnis? Waren seine Motive im Grunde selbstsüchtig?
    An der Komagome-Station, eine Haltestelle vor dem Sugamo-Gefängnis, hatte Nikolai auf einmal das Bedürfnis auszusteigen, nach Hause zu fahren oder wenigstens eine Zeit lang umherzuwandern und zu überlegen, was er da eigentlich vorhatte. Doch diese Warnung kam zu spät. Bevor er sich zur Tür durchdrängen konnte, schloss sie sich bereits wieder, und der Zug fuhr an. Er war überzeugt, dass er hätte aussteigen sollen. Aber er war ebenso überzeugt, dass er seinen Plan jetzt ausführen würde.
    Oberst Gorbatow war großzügig gewesen: Er hatte dafür gesorgt, dass Nikolai eine ganze Stunde bei Kishikawa-san bleiben durfte. Doch nun, da Nikolai in dem kalten Sprechzimmer saß und die Wände mit der abblätternden grünen Farbe anstarrte, fragte er sich, ob er denn wirklich genug zu sagen hatte, um eine ganze Stunde zu füllen. An der Tür standen ein japanischer Wärter und ein amerikanischer Militärpolizist, die sich gegenseitig ignorierten; der Japaner blickte stur zu Boden, während der Amerikaner seine Aufmerksamkeit auf die Härchen konzentrierte, die er sich aus den Nasenlöchern zupfte. Bevor man Nikolai ins Sprechzimmer ließ, hatte man ihn in einem Vorraum mit peinlicher Gründlichkeit durchsucht. Die in Papier gewickelten Reiskuchen, die er mitgebracht hatte, waren ihm von dem amerikanischen Militärpolizisten abgenommen worden, der Nikolai wegen seines Ausweises für einen Amerikaner hielt und erklärte: »Tut mir leid, Kumpel. Aber Esswaren dürfen hier nicht mitgebracht werden. Dieser – äh – wie heißt er

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