Shimmer
und niemand interessiert sich für ihn«, ergänzte Martinez, »könnte es ewig dauern.«
Sam hatte regelmäßig bei Grace nachgehört.
»Du bist viel zu beschäftigt, um ständig anzurufen«, hatte sie zu ihm gesagt, nachdem die beiden Schwestern aus Bal Harbour zurückgekehrt waren. »Sollten wir Jerome wiedersehen, verspreche ich dir, mich sofort bei dir zu melden.«
In der Vergangenheit hatte Grace nie die Notwendigkeit gesehen, Sam dies zu versichern. Aber die Sorgen, die sie ihm vergangenes Jahr verheimlicht hatte, hatten den weichen Kern ihrer empfindlichen, unendlich wertvollen Beziehung beschädigt, und dieses Risiko würde Grace nie wieder eingehen.
»Ich habe Cooper vom System überprüfen lassen, aber nichts gefunden«, berichtete Sam. »Trotzdem wette ich darauf, dass er wiederkommt.«
»Claudia versucht, etwas anderes zu glauben«, sagte Grace.
»Wie kommt sie damit zurecht?«
»Indem sie Geschenke kauft und viel zu viel Geld ausgibt, besonders für uns.«
»Das hättest du nicht zulassen dürfen«, sagte Sam.
»Ich habe es versucht, glaub mir, aber sie war nicht davon abzubringen«, sagte Grace. »Sie hat Cathy ein wunderschönes Paar Schuhe gekauft. Und als ich mit Joshua auf der Toilette war, ist sie zu Tiffany’s gegangen und hat ihm eine Spardose in Gestalt eines Elefanten gekauft. Unser Sohn hat eine Spardose von Tiffany’s, kannst du das glauben?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich es glauben will «, erwiderte Sam trocken.
»Und für uns hat sie bei Tiffany’s eine Schmuckschatulle besorgt. Ich war richtig wütend auf sie. Aber sie schien kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen. Also habe ich den Mund gehalten und sie umarmt. Anschließend haben wir im Santa Fe noch einen Kaffee getrunken und Postkarten an Daniel und die Jungs geschrieben.«
»Hat sie für die auch Geschenke gekauft?«
»Heute nicht«, antwortete Grace. »Sie will zu Aventura, und ich werde dafür sorgen, dass sie’s auch tut. Ich fände es schrecklich, würde sie mit leeren Händen nach Hause fahren.«
»Ganz zu schweigen davon, wenn sie pleite nach Hause fährt«, bemerkte Sam. »Hat sie Daniel noch mal angerufen?«
»Keine Ahnung. Sie hat mir jedenfalls nichts davon erzählt.«
»Ich hoffe, das Ganze gerät nicht außer Kontrolle«, sagte Sam.
»Geht mir genauso«, erwiderte Grace.
Das war eines der Probleme, die aufkamen, wenn man weglief, um sich die Wunden zu lecken; das hatte Grace im Laufe der Zeit gelernt. Damit entfernte man sich genau von jenen Menschen, die Teil des Heilungsprozesses sein mussten, und das machte alles nur umso langwieriger. Ein schlimmer Kreislauf.
Am Nachmittag nahm Sam sich fünfzehn Minuten frei, um Mildred zu besuchen.
Er fand sie weniger als hundert Meter von ihrer Bank entfernt. Sie fütterte Vögel mit alten Brotkrumen.
Mildred lächelte, als sie ihn sah. »Sie hätten doch nicht extra kommen müssen, Samuel.«
»Ehrlich gesagt gefällt mir die Vorstellung nicht, dass Sie vergangene Nacht allein hier draußen waren«, erwiderte Sam. »Es muss ziemlich unheimlich gewesen sein, selbst für Sie.«
»Es braucht mehr als einen kleinen Knall, um mein altes Herz zum Rasen zu bringen«, sagte Mildred. »Aber ich habe in der Gerüchteküche gehört, dass irgend so eine arme Seele in der Bucht getötet worden ist. Stimmt das, Detective?«
»Ich fürchte ja.«
Mildred verstreute den Rest der Krumen. »Und? War es eine Bombe, wie es überall heißt?«
»Darauf weiß ich noch keine Antwort, Mildred.«
»Und wenn doch, würden Sie es einer wie mir wohl nicht sagen.«
Sam lächelte sie an. »Und wie ist es Ihnen ergangen, abgesehen davon, dass Sie im Schlaf gestört wurden?«
»Ich habe meinen Engel nicht mehr gesehen«, sagte Mildred, »wenn Sie das meinen.«
»Das hätten Sie mir bestimmt auch schon gesagt«, erwiderte Sam. »Aber das ist nicht der Grund meines Kommens.«
»Ich weiß.«
Sam zögerte, bevor er fragte: »Sind Sie immer noch glücklich hier draußen, Mildred?«
Offenheit funktionierte bei ihr stets am besten.
»Wie ein Fisch im Wasser«, antwortete sie.
24
9. Juni
Früh am Montagmorgen war Cal wieder draußen.
Zur richtigen Zeit. In der Nacht.
Seine Zeit.
Kein Make-up, kein Glamour, nur er selbst, doch wenigstens konnte er jetzt besser atmen als bei Tag. Außerdem konnte er jetzt nachsehen, ob vielleicht mehr Cops an der Zehnten und der Promenade unterwegs waren als noch am Samstag.
Zunächst einmal machte er einen Spaziergang zur
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