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Shimmer

Shimmer

Titel: Shimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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aber nicht sicher.
    Er hatte nicht nur anders ausgesehen, sondern auch anders gerochen und sich vollkommen anders bewegt; doch kurz bevor er außer Sicht verschwunden war, glaubte sie, eine gewisse Beschwingtheit an seinem Gang bemerkt zu haben.
    »Nur eine Kleinigkeit, aber verräterisch«, sagte sie zu Donny, ihrem verstorbenen Verlobten, mit dem sie immer noch Tag und Nacht redete.
    Doch selbst wenn Mildred es gewollt hätte – sie hätte ihn Detective Becket nicht beschreiben können, denn was sie an dem Mann erkannt hatte, war einfach nicht in Worte zu fassen. Außerdem war es Nacht gewesen, und er hatte eine Baseballkappe getragen und Kleidung wie zehn Millionen andere Männer auch. Und Mildred hatte ihn nicht wieder anstarren dürfen, denn sie hatte gespürt, wie er sie anschaute, hatte gefühlt, wie er an ihr vorbeigegangen war, um ihre Reaktion zu testen, woraufhin Mildred so getan hatte, als würde sie schlafen. Sie hatte sich nicht gerührt und keinen Mucks von sich gegeben.
    Heute war da nicht dieses silberne Schimmern gewesen.
    Kein Engel.
    Trotzdem hatte sie es an ihm gefühlt.
    Den Tod.

25
     
    Endlich hatten sie eine Vermisstenanzeige, deren Beschreibung zu dem unbekannten Toten passte.
    Sanjiv Adani, ein vierundzwanzigjähriger Portier im Hotel Montreal oben in der Nähe des Collins Parks, war seit Freitag nicht mehr zur Arbeit erschienen, doch bis jetzt hatte niemand im Hotel es für nötig befunden, es der Polizei zu melden. Doch als Adani gestern Abend nicht auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter erschienen war und seine Familie ihn telefonisch nicht erreichen konnte, war deutlich geworden, dass etwas nicht stimmte.
    »Der Bruder hat gesagt, Adani habe noch nie einen Geburtstag seiner Mutter versäumt«, berichtete Martinez Sam.
    Der Mann auf dem Foto, das sie ihnen mit der Vermisstenanzeige gefaxt hatten, hatte den Arm um eine ältere Dame gelegt, vermutlich seine Mom, und lächelte in die Kamera. Er sah gut aus, war schlank, und dem Gesichtsausdruck der Dame nach zu urteilen, liebte sie ihn sehr.
    »Familienfeste sind bei den Adanis etwas ganz Besonderes«, fuhr Martinez fort. »Mom und Dad leben in Surfside. Adanis älterer Bruder Barun, der ihn als vermisst gemeldet hat, wohnt in Aventura. Die jüngere Schwester, Anjika – alle drei sind übrigens Single –, lebt in New York City, ist aber für den Geburtstag hierhergeflogen.« Martinez schaute auf seine Notizen. »Adani hat ein kleines Apartment an der Bay Road, nicht weit von der Lincoln Road Mall. Eine Kollegin aus dem Hotel, eine Frau namens Gloria Garcia, sagt aus, dass Adani sich das Apartment früher mit seinem kubanischen Freund geteilt habe.«
    »Früher?«, echote Sam.
    »Sie haben sich vor einem Monat getrennt«, erklärte Martinez. »Mrs. Garcia sagt, den Namen des Freundes kenne sie nicht.«
    Sam schaute wieder auf das Foto und erinnerte sich daran, in welchem Zustand ihr John Doe aufgefunden worden war.
    Erneut sah er sich die Frau an, von der sie vermuteten, dass es sich um Sanjivs Mutter handelte.
    Sam war der festen Überzeugung, dass sie dieser Frau das Herz würden brechen müssen.
    Die beiden anderen Männer der Familie – Bhupal, der Vater, und der ältere Bruder, Barun – kamen in die Pathologie von Miami-Dade, direkt hinter dem Jackson Memorial Hospital, um die Leiche zu identifizieren.
    Anstatt der eigentlichen Leiche zeigte man ihnen Fotos, die das Prozedere ein wenig erträglicher machen sollten, auch wenn das mehr Wunschdenken war. Tatsächlich war Sam sich nicht einmal sicher, ob diese Bilder es nicht eher schlimmer machten.
    In jedem Fall erklärten beide Männer sichtlich gequält, dass es sich bei dem Toten tatsächlich um Sanjiv Adani handelte.
    »Ich wollte nicht, dass unser Vater mich begleitet«, sagte Barun, ein großer, gutaussehender Mann in dunklem Anzug, zu Sam und Martinez, nachdem Bhupal Adani das Trauerzimmer verlassen hatte, um auf die Toilette zu gehen. »Aber er wollte es so. Er hat gesagt, es wäre sein Dharma .«
    »Was bedeutet das?«, fragte Martinez.
    » Dharma hat viele Bedeutungen«, antwortete Barun, »aber ich glaube, ›Pflicht‹ ist heute die gebräuchlichste.« Er wischte sich über die Augen. »Die Pflicht eines Vaters.«
    Schweigend warteten sie, bis Bhupal Adani zurückkam. Er sah ausgemergelt und mitgenommen aus.
    »Bitte, entschuldigen Sie«, sagte er.
    »Ist schon in Ordnung, Sir«, sagte Sam und war froh zu sehen, wie Barun den Arm seines Vaters nahm.
    Sam und Martinez

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