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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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schon dafür am Wickel.»
    «Du bist doch diejenige, die hier versucht, mich einzuwickeln. Hey, weißt du, vielleicht kannst du ja wirklich einen Artikel über mich schreiben.»
    «Das Angebot ist längst vom Tisch.»
    «Shit. Da erzählt man einer Tussi, was sie hören will, und sie springt einem ins Gesicht. Weißt du, was ich wirklich will?» Er beugt sich über den Tisch und winkt sie mit einer lockenden Fingerbewegung näher, damit der Wachmann nicht mithören kann. Nach einer Sekunde des Zögerns tut sie, was er will, obwohl sie weiß, dass er ihr irgendwelche ekelhaften Vorschläge machen wird. Er legt ihr beinahe den Mund aufs Ohr. «Du kannst dich um mein Baby kümmern, Lily. Sie ist jetzt acht Jahre alt, wird demnächst neun. Hat Diabetes. Du besorgst ihr die Medikamente und sorgst dafür, dass ihre Mama sie nicht für Crack verkauft.»
    «Ich …» Kirby lässt sich auf ihrem Stuhl zurückfallen, als Jamel anfängt zu lachen.
    «Gefällt dir das? Drücken wir bei unserer Geschichte auf die Tränendrüse, oder was? Du kannst ja ein paar herzzerreißende Fotos von meiner Kleinen machen, wie sie hier ihre Fingerchen durch den Zaun steckt. Und vielleicht rollt ihr dabei eine Träne über die Pausbacke, und die Haare hat sie in lauter kleinen Zöpfen zusammengedreht. Mit diesen ganzen bunten Haargummis. Du kannst ja eine Petition auf den Weg bringen. Und Demonstranten mit Plakaten und all so was vor dem Knast aufmarschieren lassen. Da krieg ich doch in null Komma nichts meine Berufung, stimmt’s?»
    «Es tut mir leid», sagt Kirby. Sie ist vollkommen unvorbereitet auf seine Feindseligkeit und auf die elende Abgefucktheit in diesem Gefängnis.
    «Es tut dir leid», sagt er ausdruckslos.
    Sie steht auf, überrascht damit den Wachmann. «Sie haben noch acht Minuten übrig», sagt er mit einem Blick auf die Uhr.
    «Ich bin fertig. Es tut mir leid. Ich muss gehen.» Sie hängt sich die Tasche über die Schulter, und der Wachmann schließt die Tür auf und drückt die Klinke herunter, um sie hinauszulassen.
    «Es tut mir leid bedeutet einen Scheißdreck!», ruft ihr Jamel nach. «Bring mir nächstes Mal Schokolade mit. Reese’s Peanut Butter Cups! Und eine Entschuldigung! Hast du verstanden?»

Harper
    16 . August 1932
    Üppige Baumfarnwedel hängen auf der einen Seite des Blumenladenschaufensters im Congress Hotel wie Bühnenvorhänge herunter. Sie machen den Blumenkauf zu einer Vorführung für die Leute, die durch das Foyer gehen. Er fühlt sich ausgesetzt. Es ist zu warm. Der Blumengeruch ist zu süß. Er kriecht einem hinter die Augäpfel, schwer und erstickend. Alles in ihm will so schnell wie möglich hier raus.
    Aber die fette Tunte in der Schürze besteht darauf, ihm die gesamte, nach Farben und Sorten unterteilte Auswahl zu zeigen. Nelken für Dankbarkeit, Rosen für Romantik, Maßliebchen für Freundschaft oder treue Liebe. Seine hochgekrempelten Hemdsärmel enthüllen dunkle, gekräuselte Locken, die aussehen wie Schamhaar und sich über seine Handgelenke bis halbwegs zu seinen Fingerknöcheln ausbreiten.
    Es ist unüberlegt. Ein Risiko, wo er doch bei allem anderen so vorsichtig war. Er hat vier Monate gewartet, um keinen Verdacht zu erregen, um nicht zu gierig zu erscheinen.
    Sie leuchtet nicht. Nicht wie seine Mädchen. Und doch ist sie mehr als die ordinären Dummerchen, die durch den Tag trampeln, austauschbar zwischen all den Chicagos, wenn man ihre Kleidung außer Acht lässt. Er mag ihre unerfahrene Verdorbenheit. Er mag das Gefühl, dass er sich gegen etwas wehren muss.
    Harper interessiert sich nicht für die Sträuße in Rosatönen und Gelb. Er streicht über die Blütenblätter einer Lilie, die obszön aufgespreizt sind. Bei seiner Berührung rieselt goldfarbenes Puder von den Staubgefäßen auf die schwarz-weißen Bodenfliesen.
    «Suchen Sie Blumen für eine Beileidskarte?», fragt der Florist.
    «Nein, es ist eine Einladung.»
    Er drückt den Blütenkopf zu, und aus dem Inneren sticht ihn etwas. Seine Hand zuckt, zerdrückt die Blume, schleudert mehrere lange Stiele aus dem Eimer. Der Stachel pulsiert in seiner Fingerspitze, die daran hängende Giftblase ist zusammengefallen und entleert. Aus dem Durcheinander der Blütenblätter auf dem Boden kriecht eine Biene mit eingerissenen Flügeln und nachschleppenden Beinen.
    Der Florist zerquetscht sie mit einem Fußtritt. «Dieses verflixte Vieh! Es tut mir so leid, Sir. Sie muss von draußen hereingeflogen sein. Soll ich Ihnen ein paar

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